Es ist ein Dilemma: CO2-Ausstoß entsteht bei fast allem, was wir tun. Auch beim Kauf einer Küche. Schwarzwald Küchen versucht dagegen zu steuern, in Freiburg mit einem neuen Konzept.
Von Katharina Müller
Die Lufthansa ruft auf ihrer Website zu freiwilligen Spenden auf, denn es ist amtlich bestätigt, dass Fliegen die klimaschädlichste Art der Fortbewegung darstellt: Fluggäste sollen mit einem Beitrag den CO2-Ausstoß kompensieren, beispielsweise durch Unterstützung von Solarparkprojekten in Afrika: Gewissen gut, Klima gut – wenn es denn so einfach wäre.
Die Emissionen im Luftverkehr zu kompensieren ist schier nicht möglich, das kritisieren auch Umweltverbände. Wenn diese Rechnung aber für andere Bereiche aufgestellt wird, dann wirkt das weitaus realistischer. So zum Beispiel in Freiburg: Hier entsteht ein neues Fachgeschäft, mit dem Ziel, Küchen zu verkaufen, die CO2- neutral sind. „Schwarzwald Küchen“ – mit Standort in Singen, geplanten Standorten in Stuttgart, Bad Dürrheim und Stuttgart, soll der Natur zurückgeben, was ihr entnommen wurde.
Beim Kauf einer Küche im Wert von 10.000 Euro werde die Stiftung Schwarzwald unterstützt, im Schnitt werden dafür 60 Bäume gepflanzt, was einer Spende von 500 Euro entspreche. Die Idee kommt von Wilfried Henselmann. Er ist seit 30 Jahren im Küchen-Business tätig und kennt die Branche: „Da dreht sich alles ums Geld, der Markt wird allein nur über Preise bestimmt“, andere Argumente zählen nicht.
Wenn er das sagt, wirkt er nicht verbittert, aber abgeklärt. Wie einer, der seine Geschäftsziele erreicht, jetzt aber genug hat. Schon als Plana-Küchenland– Gesellschafter wollte Wilfried Henselmann 2010 ein Öko-Siegel einrichten, sieben Jahre später allerdings steigt er ganz aus und schafft ein neues Konzept, diesmal aber ohne Siegel.
Stattdessen gründet er eine Stiftung, will Sinn und einen Ort schaffen, wo das Geld der Spenden hinfließt, mit moralischer Selbstverpflichtung. Andrew Carnegie, ein US-Milliardär, Förderer und Stifter, der 1989 so viel besaß wie Lidl-Gründer Dieter Schwarz heute, sagte einmal: „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande“. Ein bisschen scheint das auch Henselmann so zu sehen, der 50-Jährige spricht von „Halbzeit“ und davon, dass er sein Geld „nicht mit ins Grab nehmen“ will.
Bis Dezember ist noch Abverkauf der letzten Küchen bei Plana, die Geschäftsführer der neuen „Schwarzwald Küche“ werden seine Frau Anna Henselmann und Michael Huber sein. Und Henselmanns Aufgabe ist die Stiftungsarbeit, wenn der Antrag beim Regierungspräsidium durchgeht. Damit will er dann seine Vision verwirklichen: Land besitzen und die Umwelt positiv beeinflussen.
Im März 2018 geht es nach Paraguay, denn im Schwarzwald gibt es weniger Möglichkeiten, hektarweise Land für Aufforstungsprojekte zu kaufen, außerdem, so sagt er, wachsen Bäume in den Tropen schneller, das erziele einen weitaus größeren Effekt, wenn man CO2 kompensieren will. Das bestätigen auch Forscher, die zwar auch deutlich machen, dass noch so viele Wälder die Erderwärmung nicht aufhalten können, aber sie schützen auch den Boden vor Erosion, sind wichtig für Rohstoffe und Artenschutz und sie wirken den sauren Ozeanen entgegen. Henselmann schwebt vor, mit dem Konzept Strukturen zu schaffen, damit Kunden freiwillig Verantwortung übernehmen können – Naturverbundenheit und moralische Verpflichtung beim Kauf.
Aber nicht nur in Paraguay, auch hier soll die Stiftung wirken, mit Bildungsmaterialien Aufklärungsarbeit für Schulklassen leisten. Der Hobby-Jäger erzählt von Grünbrücken für Wild, von bedrohten Tierarten wie Auerhuhn und vom Fasan, die er früher oft, heute kaum noch sieht und von Baumarten, die es kaum mehr gibt. Nachhaltigkeit soll ganz oben stehen im neuen Küchenfachgeschäft, das nicht auf Profit ausgerichtet sein soll und dafür auch ein regionales Angebot besitzt – so wie es eben geht: Steinplatten, deutsche Hersteller und Schreinerarbeiten aus dem Schwarzwald.
Nach derzeitigen Rechnungen zur CO2-Kompensation sagt er, sei eine Küche schon mit der Pflanzung von rund 40 Bäumen kompensiert. „Dieses Thema wird aber noch mehr an Fahrt aufnehmen“, sagt er. Die Vermutung, in der Hoffnung mitschwingt, ist, dass die heutigen Kriterien und Berechnungen in einigen Jahren noch strenger sein werden. Potenzial für verantwortungsvoll geführte Konzepte und nicht, um einfach nur Kosmetik zu betreiben.