Die Ideen des neuen Schwarzwald-Tourismus-Chefs Hansjörg Mair nehmen Formen an. Seit Herbst vergangenen Jahres arbeitet er daran, Strategien und Strukturen zu modernisieren.
Von Rudi Raschke
Zupackender geht’s kaum: Das ist der allererste Eindruck, den man von Hansjörg Mair bekommt. Beim Händedruck. Mair, 49, vertritt seitdem vergangenen September als oberster Touristiker den Schwarzwald. Und es schaut aus, als ob der gebürtige Südtiroler einiges in der Region anpacken will.
Natürlich wird er aufgrund seiner Herkunft immer wieder auf das gelobte Land des Fremdenverkehrs angesprochen: Da ist die ziemlich gelungene Verbindung von Genuss und Outdoor; das Zusammenspiel von Tradition, Wein und moderner Architektur; und nicht zuletzt die hohe Basisqualität in der einfachen Gastronomie.
Alles Dinge, die im Schwarzwald arg ausbaufähig sind. Mairs Antwort: Das mag stimmen, aber man sollte den Schwarzwald als Marke nicht unterschätzen – Südtirol sei in einem Radius von 700 km in Europa bekannt und das war’s. Der Schwarzwald dagegen sei weltweit eine der bekanntesten Regionen, die mit ganz klaren Bildern verknüpft ist. Selbst wenn das vielleicht in China bisweilen als Klischee wahrgenommen wird: die Gegend sei eine überaus markante.
Seine Ideen, hier die dringend benötigte Innovation reinzubringen, sind so einfach wie überzeugend:
Mair geht es darum, an der Identität zu arbeiten, nicht nur am Image. Was auch Glaubwürdigkeit vs. Oberflächlichkeit bedeutet. Denn die Story und die Bilder, mit denen er den Schwarzwald bewerben möchte, sollen auch von der Identifikation seiner Bewohner getragen werden.
Das, was nach außen transportiert werde, ein Lebensraum, in dem sich Winter- wie Sommersportler wohlfühlen, solle auch das sein, was die Bevölkerung hier lebt. Gern mit einer Brust, die Mair noch für verbreiterungswürdig hält. Wenn die Bürger nicht an Bord seien beim Fremdenverkehr, drohe im Schwarzwald- Tourismus das, was größere Destinationen längst erlebten, sagt er: Es sei jedenfalls unübersehbar, dass beliebte Reiseziele wie Hamburg, Venedig oder Barcelona inzwischen gegen den Willen der Einheimischen angesteuert werden.
Ihm geht es ganz offensichtlich aufrichtig darum, Einheimische einzubeziehen: „Touristen durchschauen, wenn Dinge zu sehr inszeniert sind.“ In diesem Sinne will er aber auch einen Uplifting-Effekt erzielen bei der Qualität der Reiseerlebnisse. „Unsere Daten liefern uns bisher nur die Stückzahlen, also die gebuchten Übernachtungen. Spannend wird es, wenn wir Umsatzzahlen kennen, wie die Wertschöpfung ausschaut, wofür geben Touristen ihr Geld bei uns aus?“ Vorantreiben will er dies mit einer klaren „Leuchtturmstrategie“, die auch einen Sog- Effekt für die nicht so sehr herausragenden Attraktionen mit sich bringe.
Mair will die „Dinge beim Namen nennen“. Wie in einem Schaufenster sollen ausgewählte Highlights ausgestellt werden, damit der Kunde das Geschäft aufsucht. Dass er dort dann einkauft, nutze allen. Hierfür strebt er auch eine Digitalisierungs- Offensive an, die bei der Neugestaltung der Website nicht Halt machen dürfte. Bessere Information und bessere Buchungsmöglichkeiten seien die Grundlagen dafür, dass die Zahlen steigen werden. Die Politik will er in die Pflicht nehmen, dass hierfür auch die seit 2005 unveränderten Budgets steigen: Das etwa 11 Millionen Einwohner starke Baden-Württemberg gebe mit 7,5 Millionen Euro jährlich etwa gleich viel für den Tourismus aus wie das 550.000 Einwohner kleine Südtirol. Bleibt die Frage nach der Struktur der Schwarzwald-Werbung: Mairs „Schwarzwald- Tourismus GmbH“ (STG) erstreckt sich auf 11.000 Quadratkilometern von Pforzheim bis runter zum Hochrhein. Mittendrin gibt es die 100 Mitarbeiter starke, mit dreifachem Budget ausgestattete Hochschwarzwald Tourismus GmbH (HTG), die die attraktive Feldberg-Region vermarktet. Was zwischenzeitlich ein handfester Kampf um Aufmerksamkeit war, mag für Außenstehende wie der Fight gegen die „Judäiische Volksfront“ in der Jesus-Persiflage „Das Leben des Brian“ ausgesehen haben. Nichtsdestotrotz ist Mair vom ersten Tag an darangegangen, die Gräben zuzuschütten und auf die andere Seite zuzugehen. Man habe schließlich die „selben Ziele“, weshalb es bessere Absprachen brauche, auch damit die gleichen Dinge nicht zweimal gemacht werden. Die zugkräftige HTG erkennt er unvoreingenommen als das „Rennpferd“ im Schwarzwald-Tourismus an.
Mit der Festlegung auf die genannten Details seiner Strategien will er danach die Strukturen und Organigramme neu ordnen. Vor allem aber insgesamt die ihm zugeteilten Gelder sinnvoll einsetzen. Das könnte für die Verlagerung zum Digitalen ebenfalls hilfreich sein. Mair scheut sich auch nicht, jahrealte Messepräsenzen in Frage zu stellen. Oder wirkungslose kleinst-Etats, mit denen in einzelnen Ländern mit einer Art Alibi-Werbung nach Touristen gesucht wird. Der Blick von außen könnte dem Schwarzwald guttun. Ganz kenntnisfrei ist Mair ohnehin nicht, was seinen neuen Arbeitsplatz angeht: Seine Frau stammt aus Nordbaden und arbeitet in entgegengesetzter Richtung weiterhin in Südtirol. Hansjörg Mair ist fürs erste nach Kirchzarten gezogen, wo er die Vorzüge der Region, aber auch den Aufbruch zu einem zeitgemäßeren Tourismus intensiv studieren können wird. Falls die Strukturen der 321 Gemeinden, die Träger der STG sind, ihn nicht verzweifeln lassen, dürfte er sich dort mit zupackenden Ideen eindecken.