In Emmendingen hat die kleine Firma Tonpony einen beeindruckenden Ort kreiert, der den Spagat schafft zwischen Tonstudio und Marketingagentur.
VON JULIA DONÁTH-KNEER
“Ihr habt ja gar nicht angerufen.“ Ben Riesterer ist überrascht, als er die Tür zum Tonpony Studio öffnet. Der 40-Jährige und seine Geschäftspartnerin Lena Lapschansky sind es nicht gewohnt, dass Besuch das im Hinterhof liegende Studio ohne genauere Anweisungen findet. Am Rande des Emmendinger Gewerbegebiets sitzt Tonpony in einer ehemaligen Fabrikhalle im dritten Stock. Schon der Aufgang erstaunt: Frachtenaufzug, alte Vitrinen, Polstermöbel, Sixties-Poster und goldene Stehlampen – wohl nirgendwo ist Emmendingen so sehr Berlin wie hier. Hinter einer schweren Metalltür – der Tür, die Ben Riesterer gerade so erstaunt öffnete – wartet eine andere Welt.
Ben Riesterer und Lena Lapschansky haben über den Dächern Emmendingens eine kleine Oase geschaffen: Auf 300 Quadratmetern ein voll ausgestattetes, professionell geführtes, liebevoll dekoriertes Studio, das Musikerherzen höherschlagen lässt. Ein Bechstein-Flügel, eine Hammondorgel aus den Fünfzigerjahren, eine knallrote Wurlitzer, Gitarren, Computer, Mischpulte. Seit einigen Jahren steht im Nebenraum eine schneeweiße Schallkabine der Marke Studiobricks, die die Macher aus Barcelona importiert haben. Sie war die erste ihrer Art in der Bundesrepublik und wird heute immer wieder als beispielhafte Profiausstattung fotografiert.
Gerade sind Riesterer und Lapschansky aus New York zurückgekommen. Sie waren ein paar Wochen auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs, auf dem sie mit den Gästen Podcasts aufgenommen haben. Solche Dinge sind nur ein Teil des Tagesgeschäfts von Tonpony, das 2015 von den beiden Schulfreunden als GbR gegründet wurde und seither schwarze Zahlen schreibt.
Wiederkennbarer Sound
Spezialisiert hat sich Tonpony auf Soundmarketing und Audiobranding, ein Alleinstellungsmerkmal in der Region. „Wir beraten Unternehmen und unterstützen sie darin, ihre Marke hörbar zu machen“, erklärt Lena Lapschansky, die Ökotrophologie studiert hat, aber ihr Herz an die Musik verlor. Akustische Markenführung nennt sich das. Es geht darum, Videos, Werbung, Auftritte einer Firma mit dem Markenkern zu verbinden. Das ist nicht nur für die Wiederkennbarkeit einer Marke wichtig, sondern hat auch eine emotionale Komponente. Durch den Einsatz passender Musik können zum Beispiel Einzelhändler gewünschte Stimmungen erzeugen. Für all das kommt Tonpony ins Spiel: „Wir helfen den Firmen dabei, den richtigen Klang zu finden“, sagt Ben Riesterer. Sie komponieren Jingles und Songs inklusive Text oder entwickeln Soundlogos.
“Sound ist ein wichtiger Teil der Corporate Identity. Wir unterstützen Unternehmen darin, ihre Marke hörbar zu machen.”
Lena lapschansky
Ein Beispiel für ein gelungenes Soundlogo ist der Fünfklang der Telekom – dieser Ohrwurm („dadadadida“), den jeder sofort mit dem Unternehmen in Verbindung bringt. Das kann Tonpony auch. „Sound ist ein wichtiger Teil der Corporate Identity“, sagt Lena Lapschansky. „Wir arbeiten eng mit den Unternehmen zusammen, bekommen von der Marketingabteilung Material und bauen daraufhin die akustische Markenführung auf oder machen Vorschläge, wie etwas klingen kann.“
Kunden sind unter anderem Schwarzwaldmilch, Fürstenberg, Waldhaus, die Haufe Gruppe. Für den Verband Schwarzwald Tourismus hat Tonpony den „Kuck Kuck Song“ entwickelt. Der wird nicht nur intern von der Organisation genutzt, sondern auch von vielen der Partner, für Telefonwarteschleifen zum Beispiel oder für Veranstaltungen. Für diese Lizenzen bekommt Tonpony Anteile, die vorab verhandelt wurden.
Kinderlieder und Barbetrieb
Neben diesem Hauptgeschäft haben sich viele weitere Projekte ergeben. „In Summe machen wir Musik- und Sprachproduktionen. Das ist gar nicht so komplex, aber die anwendbaren Felder sind so vielseitig“, erklärt Lapschansky, die auch ausgebildete Sprecherin ist. So ist eine Art Hybrid aus Tonstudio und Marketingagentur entstanden. „Wir haben beides in einem Raum und holen die Leute dazu, die wir dafür brauchen“, sagt die 40-Jährige. Das Studio wird auch für externe Musikproduktionen vermietet, inklusive Technik und Produktion. Tonpony unterstützt dabei im gesamten Prozess: Sie als Spezialistin für Texte, Sprache, Gesang, Marketing. Er als Profi für Arrangement, Komposition, Tontechnik und Produktion.
Die Musikproduktion und Kompositionen sind ein wichtiges Standbein der Emmendinger. Ein Beispiel: Deutschlandweit laufen in Indoorspielplätzen CDs – Konzept, Idee, Produktion, Komposition kommen von Tonpony, in der Region zum Beispiel in der Freiburger Kindergalaxie.
Außerdem produziert, konzeptioniert, schneidet und entwickelt das Unternehmen Hörspiele, Podcasts und Synchronisationen. Immer wieder kommen Schulklassen ins Studio, sprechen Hörspiele ein, machen Soundeffekte oder produzieren einen Podcast. Mit der Freiburger Abfallwirtschaft (ASF) ist zum Beispiel ein Podcast zum Thema Müll entstanden, der mit Kindern aufgezeichnet wurde: „Kim Flosse. Die Suche nach dem Müll“.
Mit Teddy’s Wonderland haben Riesterer und Lapschansky 2020 eine eigene Marke für Kinderschlaflieder entwickelt, die auf Spotify und Apple Music millionenfach gestreamt wurde und mittlerweile über 50 Titel hat. All das spielt Geld in die Kasse. Etwa die Hälfte des Jahres ist das Tonpony-Team unterwegs, fährt zu Kunden, trifft Bands, produziert vor Ort.
Die Kompetenz des Duos hat sich längst rumgesprochen, Musiker aus ganz Europa kommen nach Emmendingen. Einige nehmen ihre eigenen Alben auf, andere werden von Tonpony für dritte Projekte engagiert. „Unser Netzwerk ist mittlerweile sehr groß“, sagt Ben Riesterer. Es ist die Kunst von Tonpony, die Fäden zusammenzubringen. Lena Lapschansky sprudelt vor Ideen, Musikproduzent Ben Riesterer hat die Umsetzung im Kopf. Sie spricht und singt, er ist neben den tontechnischen Arbeiten auch mal selbst an den Instrumenten tätig.
Im Studio, das auch für private Veranstaltungen und Events gebucht werden kann, haben die beiden eine kleine private Bar errichtet. Hier sitzen regelmäßig Macher, Musiker, Manager aus der Region. „Es gibt Wein, spontane Jams und viel kreatives Networking“, sagt Lena Lapschansky. Es sei schön, so viele unterschiedliche Menschen in Emmendingen zusammenzubringen – auch wenn die meisten den Weg nicht auf Anhieb finden.