Petra Riesterer hat im Januar 2022 die Nachfolge von Peter Ohmberger in der Geschäftsführung der Hekatron Vertriebs GmbH angetreten. Ein Gespräch mit den beiden übers Antreten und übers Loslassen, über Menschlichkeit und New Work – und die Dynamik am Standort Sulzburg.
INTERVIEW: RUDI RASCHKE
Wenn wir über den Nachfolgeprozess in Ihrem Haus sprechen: Wie kam er ganz konkret zustande, bis der Wechsel im Herbst 2020 feststand und jetzt über die Bühne ging?
Ohmberger: Ich habe mich persönlich schon vor einigen Jahren mit meinem Karriereende Schritt für Schritt auseinandergesetzt. Man wird ja nicht über Nacht 64 Jahre alt. Konkret wurde es vor etwa zwei Jahren. Es gehört zum Privileg unserer Unternehmensgruppe, dass wir offen darüber reden können, wie so eine Nachfolge aussehen könnte. Und dass ich auch gefragt wurde, ob ich Vorschläge hätte.
Hatten Sie einen?
Ohmberger: Ja, hatte ich, sie sitzt gerade mit uns hier. Über die Vorschlagsmöglichkeit hinaus gehört zum professionellen Teil eines Nachfolgeprozesses natürlich die Eignungsprüfung, ob der- oder diejenige überhaupt die soziale, fachliche und erfahrungsseitige Kompetenz besitzt, so ein großes Unternehmen zu führen.
Riesterer: Ich hatte zwar eine firmenübergreifende Aufgabe mit den Geschäftsführern der Unternehmensgruppe (Anm. d. Red.: Die beiden Schwestern Hekatron Brandschutz und Hekatron Manufacturing gehören zur Schweizer Securitas Gruppe), aber ich hatte die Nachfolge zunächst nicht auf dem Schirm. Peter Ohmberger hat mir als Mentor die Idee zu diesem Schritt gegeben. Ich musste mich selbst zum ersten Mal in meinem Arbeitsleben für eine neue Aufgabe positionieren und den Hut aktiv in den Ring werfen.
Für Sie, Herr Ohmberger, war demzufolge schon lange klar, dass Sie sich nicht mit 75 Jahren aus dem Unternehmen tragen lassen wollten?
Ohmberger: Ja, das war für mich nie eine Frage. Im Gegenteil, eigentlich war eher der Gedanke da, mit 60 oder 61 Lebensjahren die Verantwortung abzugeben.
Bei manchen Übergabeprozessen fällt fast als Ausnahme auf, wer es besonders friedfertig löst, man denke aktuell an Angela Merkel und Olaf Scholz. Wie gleist man so etwas auf, dass Chefs ihre Nachfolger mitnehmen, wie kriegt man die räumliche Nähe hin?
Ohmberger: Wir haben uns schon im zweiten Halbjahr 2020 überlegt, wie es gut gelingen könnte. Damals hatten wir noch die Hoffnung, dass unser ausgedachte Nachfolgeplan schon mit einem Pandemie-Ende im Frühjahr 2021 aufgehen könnte. Der „liebe Gott“ hat da wohl nur gelacht und wir mussten unsere Pläne „on the job“ korrigieren.
Der zweite und dritte Lockdown sowie die weltweite Bauteilverknappung, insbesondere im elektronischen Bereich machten uns eine „klassische“ Einarbeitung unmöglich. Räumlich war an eine Zusammenarbeit in dieser Zeit selten zu denken. Die Einarbeitung in 2021 verlief dann doch „hart im Wind“, aber nicht weniger kooperativ und vor allem „Hand in Hand“.
Sie hätten sich vermutlich eine andere Einarbeitung gewünscht, Frau Riesterer?
Riesterer: Ich hatte gehofft, dass ich noch einmal aufs Neue durchs Unternehmen und zu allen Mitarbeitern in deren Büros gehen kann, aber wir hatten dann ganz andere Prioritäten. Ganz praktisch haben wir uns dann zweimal die Woche morgens um 7 Uhr für eine Stunde getroffen. Auf diese Weise war ich ab dem zweiten Quartal 2021 in alle Entscheidungen eingebunden, ab dem dritten habe ich Themen für 2022 selbst entschieden.
Ist es so, dass die Weisheit, jeder sei ersetzbar, auch bei Menschen gilt, die über Jahrzehnte ein Unternehmen geprägt haben?
Ohmberger: Ich habe nie gedacht, dass ich unersetzbar sein könnte. Eher, dass es Zeit wird. Jede Firma braucht irgendwann Erneuerung. Frau Riesterer ist mir in vielen Dingen, beispielsweise im digitalen Umfeld oder in Arbeitsmethoden um einiges voraus und wirklich deutlich besser als ich. Ich habe da so ein Bild aus dem Sport vor Augen: Sie ist wie eine Sportlerin, die bestens trainiert ist und vorbereitet. Jetzt braucht es lediglich ein paar Wochen, weil sie seit Januar 2022 quasi in ein volles Stadion einläuft und auf dem Spielfeld in der Verantwortung steht. Das ist die Psychologie des Tuns und der vollen Verantwortung. Petra Riesterer ist bestens vorbereitet.
Riesterer: Es ist tatsächlich so, dass jeder ersetzbar ist. Auch wenn eine nachfolgende Person sich die Erfahrung im neuen Umfeld erst aufbauen muss, bringt sie immer auch neue und andere Fähigkeiten mit. Zur Zeit erlebe ich jede Woche in irgendeiner Form als Premierenwoche. Ich lerne jeden Tag Neues und freue mich, meine Kompetenz in die Themen einzubringen und in der Geschäftsführung einen eigenen Weg einzuschlagen.
Was waren die wichtigsten Learnings für Sie?
Riesterer: Dass Herr Ohmberger und ich wertschätzend und auf Augenhöhe miteinander arbeiten konnten, fern von klassischen Hierarchien oder Hahnenkämpfen. Seine Mischung aus Vision und Menschlichkeit ist für mich einmalig in meinem gesamten Arbeitsleben.
Mit welchen Themen, intern wie extern, gehen Sie in das Jahr, Frau Riesterer?
Riesterer: Für mich war es ein Highlight, dass wir schon vor sieben, acht Jahren gemeinsam an neuen Geschäftsmodellen und digitalen Applikationen gearbeitet haben. Was jetzt notwendig ist: dass wir als Organisation diesen Weg konsequent weitergehen können. In diesem Bereich liegt eine Geschwindigkeit vor, die ein anderes Arbeiten erfordert. Bei neuen Methoden, beim kollaborativen Arbeiten haben wir sehr wohl ein wenig Nachholbedarf in Sulzburg.
Wie sieht der konkret aus?
Riesterer: Wir sind durchaus ein Organigramm geprägtes Unternehmen mit entsprechenden Hierarchiestufen. Mit dem Thema „New Work“ gehen wir dagegen direkt in die Organisation. Wir wollen die Mitarbeiter mitnehmen, einfach, weil sie nach Corona besser denn je wissen, wie sie in Zukunft arbeiten möchten.
Werden sich die New Work-Themen auch im Interieur des Unternehmens abbilden?
Riesterer: Ich kann es Ihnen noch nicht sagen, weil wir das erst noch gemeinsam mit den Mitarbeitenden erarbeiten werden. Was ich weiß: Wir haben heute bereits mehr Mitarbeiter als Arbeitsplätze im Haus und werden neue Konzepte brauchen.
Wie werden die beiden Unternehmensschwestern künftig zusammenarbeiten?
Riesterer: Mit Michael Roth, dem Geschäftsführer der Hekatron Manufacturing, bin ich ebenfalls immer wöchentlich im Austausch. Wir gehen ohnehin bereits kommunikativ gemeinsame Wege, der Slogan lautet „miteinander stark – vielfältig gut“. Ich bin der komplett festen Überzeugung, dass wir vieles als Schwesterfirmen im Schulterschluss besser meistern. Wir wollen noch stärker in gemeinsame Bereiche wie IT und Personal investieren, um den Standort zukunftsfähig und attraktiv zu gestalten.
Wie schätzen Sie ihren Markt beim Thema Brandschutz ein, was Produkte und Dienstleistungen, aber auch die Wachstumschancen angeht?
Ohmberger: Kurzfristig sehe ich das Wachstum in unserem klassischen Geschäft, in dem wir auch in der Corona- Zeit von Baukonjunktur und Zinspolitik klar profitiert haben, insbesondere auch bei öffentlichen Gebäuden sowie Zweck und großen Wohnbauten. Unsere aktuelle Herausforderung ist dabei eher die Beschaffung der notwendigen Bauteile als die Bereitstellung unserer Produkte für unseren Markt. Mittelfristig ist es das Thema „digitale Lösungen“, also Services, die deutlich über den reinen Produktverkauf hinausgehen. Da sehe ich in den nächsten fünf Jahren großes Wachstumspotenzial für Hekatron.
Sie bespielen diesen Bereich bereits einige Jahre. Über welche Größenordnung sprechen wir hier in etwa?
Ohmberger: Heute macht der Anteil digitaler Applikationen an unserem Gesamtumsatz unter zwei Prozent aus. Daran kann man sehr gut den Weg erkennen, den wir noch vor uns haben. Hierbei spielen natürlich auch die digitalen Vertriebswege eine erhebliche Rolle, in denen wir unsere Umsätze in den letzten drei Jahren verfünffachen konnten.
Herr Ohmberger, vor vier Jahren haben Sie im Interview mit uns gesagt, dass die große Stärke unserer Region auch zugleich eine Schwäche sei: auf der einen Seite Kontinuität, Verlässlichkeit und Bodenständigkeit, auf der anderen etwas schleppende Dynamik. Würden Sie das heute noch so sehen mit Blick auf den Standort?
Ohmberger: Ja, das sehe ich nach wie vor so, unsere Firma muss sich auch weiterhin noch stärker der Geschwindigkeit und der Dynamik „der Welt da draußen“ anpassen. Das ist neben Strukturen, Prozessen, Kompetenzen Tools auch ein erheblich kulturelles Thema.
Riesterer: Ich möchte zur Dynamik noch den Begriff der Komplexität ergänzen, dafür brauchen wir einen neuen „Werkzeugkoffer“. Die Dinge, die wir beeinflussen können, werden wir konsequent angehen. Darauf freue ich mich.
Peter Ohmberger, 64, war fast drei Jahrzehnte bei Hekatron tätig und machte das Unternehmen in dieser Zeit zu einem Synonym für Brandschutz.
Seine Nachfolgerin Petra Riesterer, 46, ist wie er in Freiburg geboren und seit mehr als 20 Jahren für Hekatron tätig. Das Unternehmen hat 950 Mitarbeiter.