Iran, Russland oder China – viele Kommunen in der Region unterhalten Städtepartnerschaften auch mit Ländern, die Menschenrechte missachten. Wie gehen sie damit um, wenn diese Regime Kriege beginnen oder Menschen hinrichten?
VON SUSANNE MAERZ
“Freiburgs umstrittene Partnerschaft“ überschrieb das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ Ende Februar einen Artikel über den Zickzackkurs rund um den richtigen Umgang mit der iranischen Partnerstadt Isfahan. Die seit dem Jahr 2000 bestehende Verbindung war immer wieder in die Kritik geraten, erst recht seit der Gewalt und dem Terror des Mullah-Regimes gegen Demonstranten ab September 2022. Daher stellte der Spiegel ein knappes halbes Jahr nach Beginn der Proteste die Frage, warum die linke Ökostadt trotz dieser Gewalttaten an den partnerschaftlichen Beziehungen zu der iranischen Metropole festhalte.
Denn das tut sie nach wie vor– wenn auch eingeschränkt. Im Januar hatte ein breites Bündnis aus dem Freiburger Gemeinderat mit dem Namen „Frauen. Leben. Freiheit.“ dafür plädiert, die offiziellen politischen Beziehungen mit der iranischen Partnerstadt einzufrieren, die bürgerschaftlichen Kontakte aber weiter aufrechtzuerhalten. Daran hält sich die Freiburger Stadtverwaltung – und denkt auch nach den erneuten Hinrichtungen im Frühsommer nicht daran, an dieser Praxis etwas zu ändern. Dazu die Aussage von Freiburgs Pressesprecher Sebastian Wolfrum im Juni auf Nachfrage: „Wir verurteilen das Vorgehen gegen die Demonstrationen und die grausamen Hinrichtungen scharf. Freiburg unterhält keine Partnerschaft mit dem Regime, es geht um den Kontakt mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren. Diese Brücke soll nicht abgebrochen werden.“
Offizielle versus private Kontakte
Fest steht: Eine eingefrorene Partnerschaft ist keine beendete Partnerschaft. Auch dieser Schritt wäre möglich gewesen. Aber es sind vor allem die Menschen, die private Kontakte häufig auch zu Oppositionellen vor Ort pflegen, die ein komplettes Einreißen der Brücken ablehnen. Freiburg steht mit seiner Partnerschaft zu Isfahan zwar im Fokus. Dieses Spannungsfeld zwischen offiziellen und privaten Beziehungen tritt jedoch in allen Debatten über solche Partnerschaften zu Tage. Stets betonen die einen, dass die Menschen durch die zivilgesellschaftlichen Kontakte auch in ihrer Opposition zum Regime unterstützt werden müssten. Andere plädieren für einen kompletten Bruch und führen an, dass auch lokale Behörden Teil des Staatsgefüges seien und dieses stützten, auch wenn sie nicht für Hinrichtungen verantwortlich sind oder ins Kriegsgeschehen eingreifen. Und meist schwingt in den unterschiedlichen Auffassungen die Sorge um die Menschen vor Ort mit, zu denen es häufig jahrzehntelange Verbindungen gibt.
Villingen-Schwenningen: Russische Partnerstadt
Parallelen zur Freiburger Isfahan-Debatte gibt es beispielsweise in Villingen-Schwenningen, das mit dem russischen Tula seit 1994 verpartnert ist. Hier gab es nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Debatten darüber, wie mit der Partnerschaft umgegangen werden solle. Im April vergangenen Jahres appellierte Oberbürgermeister Jürgen Roth an seine russische Amtskollegin in einem Brief, auf eine friedliche Beilegung des Konflikts, welchen er zutiefst verurteile, hinzuwirken. Zugleich verkündete er, die offizielle Partnerschaft zwar nicht zu beenden, aber bis auf weiteres ruhen lassen zu wollen. Dafür stimmte der Gemeinderat dann auch etwa einen Monat später nach kontroverser Debatte – und reagierte damit deutlich schneller als die Freiburger es nach dem Ausbruch der Gewalt im Iran getan hatten. Doch auch Villingen-Schwenningen hält sich ein Hintertürchen offen: „Städtepartnerschaften sind Brücken für den Frieden und deshalb sollen die Beziehungen nicht endgültig aufgegeben werden“, begründete dies die Referentin des Oberbürgermeisters Madlen Falke nun auf Nachfrage.
Offenburg: Partnerstädte in England und Frankreich
Um diese Debatte ist die Stadt Offenburg herumgekommen: Dort hatte im Jahr 2012 ein Stadtrat zwar vorgeschlagen, wegen der vielen türkischen und russischen Bewohner auch Städtepartnerschaften mit diesen Ländern zu schließen. Die Stadtverwaltung lehnte es aber damals ab und begründete dies mit fehlenden Kapazitäten für eine weitere Partnerschaft. Seitdem gab es keine weiteren Vorstöße. Pressesprecher Christoph Lötsch erwähnt lediglich „eine auf Privatinitiative zurückgehende Freundschaft zwischen der Offenburger Landsmannschaft der Russlanddeutschen und der deutschen nationalen Kulturautonomie der Republik Komi in der Taiga- und Tundra-Region im äußersten Nordosten des europäischen Teils der Russischen Föderation“.
Offenburg hat derzeit sechs Partnerstädte, darunter welche in Frankreich, England und Thüringen. Um nach dem Zweiten Weltkrieg freundschaftliche Bande zum „ehemaligen Feind“ und nach dem Mauerfall nach Ostdeutschland zu knüpfen, sind für gewöhnlich die Partnerschaften entstanden, die die meisten Städte und Gemeinden vor allem in andere europäische Länder unterhalten. Je nachdem, welche persönlichen Kontakte es vor Ort gibt, sind unterschiedliche außereuropäische Städte darunter. Lahr unterhält beispielsweise eine Städtepartnerschaft zu Alajuela in Costa Rica, die vor allem vom Freundeskreis Alajuela-Lahr getragen wird. So, wie es häufig üblich und unproblematisch ist.
Lörrach: Freundschaftliche Bande in die Türkei
Auch die Städtefreundschaft zwischen Lörrach und Edirne in der Türkei, ein Land, das nicht gerade berühmt für seine demokratischen Bemühungen ist, ging von privaten Kontakten aus. „Die Bürgerbegegnungen dienen dazu, den Umgang mit Differenz zu erleben und die Toleranz, den Abbau von Vorurteilen und die Demokratie zu unterstützen“, sagt Alexander Fessler, Pressesprecher der Stadt Lörrach. Auch heikle Themen könnten angesprochen und zivilgesellschaftliche Gruppierungen unterstützt werden. Außerdem sei der Bürgermeister von Edirne Mitglied der oppositionellen Partei und setze sich in der Türkei für demokratische Strukturen und einen offenen Dialog ein.
Konstanz: Partnerstadt in China
Von der Türkei nach China: Das Reich der Mitte ist nicht nur wegen diverser Menschenrechtsverletzungen, sondern seit dem Beginn des Ukrainekriegs auch wegen seiner Freundschaft zu Russland in den Fokus geraten. Unklar ist, ob China Waffenlieferant oder Friedensvermittler ist. Auf Letzteres setzte zumindest der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt. Die Stadt pflegt seit 2007 eine offizielle Partnerschaft mit der im chinesischen Jangtse-Delta gelegenen Stadt Suzhou. Vergangenen März appellierte Burchardt in einem Brief an den dortigen Bürgermeister: „Bitte werben Sie für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Kriegs und für Frieden in der Welt.“ Auch der Konstanzer Gemeinderat hatte – nach einer intensiven, kontroversen Debatte – sich für diese Initiative stark gemacht. Die Städtepartnerschaft mit China selbst bezeichneten die Konstanzer als „Friedensbrücke“. Diese wurde daher weder abgebrochen noch eingefroren.
Das Verständnis einer Städtepartnerstadt als Friedensbrücke scheint, bei aller Unterschiedlichkeit der Partnerschaften und der kontroversen Debatten in der Region, der gemeinsame Nenner zu sein. Das wundert nicht, schließlich war dies auch ihr Ursprung nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Überzeugung wird auch in der Antwort aus dem Offenburger Rathaus deutlich. So schrieb Pressesprecher Christoph
Lötsch auf die Presseanfrage für diesen Artikel: „Sofern solche Partnerschaften zwischen deutschen und russischen – oder auch ukrainischen – Städten bestehen, können sie vielleicht zu einer positiven Entwicklung in einer hoffentlich nicht allzu fernen Nachkriegsordnung beitragen.“