Das Start-up Bringman fällt in der Welt der Lieferdienste mit Regionalität und Produktvielfalt auf. Eine Kooperation mit Edeka hilft den Offenburger Seriengründern Fischinger und Ghassemi.
VON DANIEL RUDA
Wie viele Mitarbeitende hat Euer Start-up gerade? Gegenfrage: Wann kommt denn das Heft raus? Dann werden es schon wieder um einige mehr sein. Die Gründer Sebastian Fischinger und David Ghassemi sind sich nicht sicher: Im Office, wo programmiert und organisiert wird, dürften es Ende Februar beim Termin für diesen Artikel an die 30 Angestellten sein, schätzen sie. Sogenannte Bringmans, die die Ware zu den Kunden bringen, sind es da gerade um die 200. Mitte März dürften es schon 300 solcher Minijobber sein, die dann für Benutzer der App Einkäufe in einem Edeka erledigen und diese zum Kunden nach Hause bringen. Tendenz steigend.
„Wir sind auf der Flucht nach vorne“, sagt David Ghassemi. Zeit zum Reflektieren bleibt gerade wenig, dafür geht alles viel zu schnell beim Lieferdienst von Lebensmitteln. Vor einigen Wochen kam die Nachricht, dass Edeka Südwest in das Offenburger Start-up investiert hat. Zehn Prozent Gesellschaftsanteile hat der Konzern übernommen, der mit dem Jungunternehmen schon seit Monaten einen Exklusivvertrag hatte. Seither kommen regelmäßig neue Liefergebiete hinzu: Frankfurt, Stuttgart, Wiesbaden, Mainz. Entlang der Rheinschiene von der Schweizer Grenze über Freiburg bis Karlsruhe ist die App schon länger verfügbar.
„Unsere Kunden sind vor allem Familien, denen wir den Wocheneinkauf an die Haustür liefern“, erklärt Sebastian Fischinger. In der App ist fast das gesamte Sortiment samt Fotos der teilnehmenden Edeka-Märkte einzusehen. Die Kunden können wie in einem Online-Shop bestellen und der sogenannte Bringman, mit dem man auch direkt kommunizieren kann, holt die Ware und liefert das Ganze dann für eine Gebühr von 4,90 Euro innerhalb von drei Stunden.
„Der Nachbarschaftsgedanke“ sei es gewesen, der zur Idee führte. Kurzerhand wurde dafür eine andere Idee umgemodelt, als man sich im Frühjahr 2020 plötzlich im Corona-Lockdown wieder fand. Eigentlich entwickelten Studenten da gerade eine Disco-App für die Club-betreiber und Seriengründer Ghassemi und Fischinger. „Wir haben dann umgestellt und die App im ersten Lockdown total euphorisch schnell auf den Markt gebracht.“ Damals sei sie noch wenig nutzerfreundlich und entsprechend auch semi-erfolgreich gewesen.
Inzwischen sind Lieferdienst-Apps bekanntes Terrain im modernen Unternehmertum. In Städten kennt man zum Beispiel die orangenen Radler von Lieferando, die die Pizza oder das Sushi bringen. Andere, die ein ähnliches Angebot wie Bringman haben, heißen Flink oder Gorillas. Während diese Dienste vor allem in Großstädten aktiv sind und für ihr Sortiment eigene Lager mit rund tausend Produkten unterhalten, kann Bringman mit dem Sortiment einer Edeka-Filiale mehrere zehntausend Produkte bieten, allesamt mit Fotos.
„Wir sind dann drangeblieben, haben weiterentwickelt und irgendwann die Kooperation mit Edeka Südwest bekommen“, erzählt Fischinger, die war zunächst als Pilotprojekt von einem Jahr angelegt. Von da an ging es bergauf für die beiden Gründer, die wieder einmal eine Firma hochzogen.
Die Mittdreißiger gehen als Seriengründer durch. Wenn man es so nennen will, gründeten sie ihr erstes Start-up, als sie noch gemeinsam in der Realschule als 16-Jährige für die Mittlere Reife lernten. Damals ging es um eine Online-Plattform namens Baden Events. Es war noch die Zeit vor den Social Media Plattformen: Facebook und studiVZ gingen kurze Zeit später online. Auf der regionalen Seite von Fischinger und Ghassemi tummelte sich derweil die Ortenauer Jugend, um sich auf Partyfotos anzuschauen oder in Foren zu diskutieren.
Das Party-Portal über das Ortenauer Nachtleben war so erfolgreich, dass die Beiden, der eine inzwischen in der Lehre zum Fachinformatiker (Fischinger), der andere zum Grafikdesigner (Ghassemi), sich dazu entschlossen, selbst als Veranstalter ins Partyleben einzusteigen. Sie organisierten gleich mal Deutschlands größte Abi-Party mit 8000 Gästen in Offenburg.
Jungunternehmer seit der Realschule
Es war der Startschuss für ihr Unternehmertum, zunächst vor allem im Nacht-leben. Sie gründeten die Werbeagentur Webkultur (die inzwischen IT-Lösungen für Kunden im Gesundheitswesen anbietet), übernahmen das Party-Pro-gramm im Reiff Medien Dome, bauten fünf Clubs in Lörrach, Friedrichshafen, Rastatt, und Offenburg auf, wo sie den Freiraum und die Etage Eins hochzogen, veranstalteten Festivals wie das Tagtraum und zuletzt vor Corona mit Black Forest Space auch die erste regionale Online-Marketing-Konferenz der Region. Sie machten das Café Sir Gustav auf, gründeten mit Online Punk noch eine Online-Agentur für Social Media Werbung und installierten mit der Zeit quasi überall Geschäftsführer, um sich selbst aus dem operativen Geschäft immer mehr rauszuziehen.
Und als Gesellschafter weiterzumachen. Die eine oder andere Firma verkauften sie auch. „Haben wir jetzt irgendwas vergessen?“, fragen sie sich gegenseitig beim Aufzählen ihrer Geschäftigkeiten, zu denen auch eine Beteiligungsfirma mit Geschäftspartnern zählt, mit der sie vor allem in Firmen im E-Commerce investieren.
Und nun eben Bringman, „das Hauptprojekt“, wie es Ghassemi nennt. Als nächstes steht der Umzug des Büros an, in den aktuellen Räumlichkeiten in der Offenburger Innenstadt stößt man schon länger an Grenzen. Mit ihrem Start-up wollen die beiden Seriengründer noch viel erreichen. „Unser Ziel ist es, irgendwann nicht nur Einkäufe aus dem Supermarkt zu bringen, sondern unser Segment auszubauen“, sagt Sebastian Fischinger. „Synergien zu schaffen, Einzelhändler zu unterstützen und die sogenannte letzte Meile im Griff haben“, darum gehe es, sagt David Ghassemi über Bringdienste und Handel. Bis hier-hin haben sie schon erfolgreich einige Meilen absolviert.