Das Freiburger Start-up Recyda macht sich gerade auf, mit einem Online-Tool der Verpackungsindustrie Hilfestellung bei Fragen rund ums Recycling zu geben. Die Geschichte einer unverhofften Gründung.
VON DANIEL RUDA
Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte das Umweltbundesamt aktuelle Zahlen zum Verpackungsmüll in Deutschland. Es waren keine guten. Mit 18,9 Millionen Tonnen ist er im Erhebungsjahr 2018 bei einem neuen Rekord angekommen. Rechnet man das auf die einzelnen Bürger herunter, erzeugt jeder von uns rechnerisch 227,5 Kilogramm Verpackungsmüll im Jahr, ein Kilogramm mehr als im Jahr davor. Die Recyclingquote liegt bei insgesamt rund 69 Prozent. Bei Kunststoffverpackungen sind es dagegen nur 47 Prozent, ein neues Verpackungsgesetz schreibt indes seit vergangenem Jahr eine Quote von 58,5 Prozent vor. Es sind nur ein paar der Zahlen, die zeigen, dass in Sachen Recycling noch mehr passieren muss. Hier setzt das Start-up Recyda aus Freiburg an. Es hat ein Tool entwickelt, das Herstellern dabei helfen soll, umweltschonendere und recycelbare Verpackungen beispielsweise für Chips, Gummibärchen oder Drogerieprodukte zu produzieren. Kern der Lösung ist eine Datenbank, in der alle Informationen rund um Vorschriften, Gesetze und Informationen zu Infrastruktur und Vorgängen des Recycling-Geschehens in möglichst vielen Ländern der Welt abgebildet sind.
Wo wird was wie recycelt und warum?
Mit der Software wollen es die drei Gründer Firmen erleichtern, den Durchblick in diesem komplexen Gebiet zu behalten und ihnen die nötigen Informationen liefern, wie sie Verpackungen für den Export in bestimmte Länder zusammensetzen und produzieren müssen, damit diese dort auch in den Recycling-Kreislauf gelangen.
Dass gerade die Verpackungsindustrie in Bezug auf Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit und Klimawandel von der Gesellschaft und inzwischen auch von manchen Gesetzeslagen gefordert ist, kommt Recyda zu Gute. Anfang 2021 soll das Tool, das als Web-Applikation im Browser funktioniert, auf den Markt kommen.
Seit etwas mehr als einem Jahr arbeiten Vivian Loftin, Anna Zießow und Christian Knobloch daran. Hervorgegangen ist das Trio aus einem Projekt der Stiftungsorganisation Futury im Herbst 2019 in Frankfurt, das Studenten für drei Monate mit Industriepartnern vernetzte. Die drei Mittzwanziger – Loftin studiert in Mannheim, Zießow und Knobloch in Freiburg – kannten sich bis dahin nicht und wurden zum Trio gelost. Der Zufall wollte es so, dass sie das Thema Recycling bearbeiten sollten, eben mit Blick auf die weltweiten Unterschiede.
Sie sprachen mit Experten, bekamen Einblicke in zwei Unternehmen aus der Verpackungsindustrie und arbeiteten sich in Richtung des Ziels, eine Übersichtlichkeit zu schaffen. Informatik-Student Knobloch begann den Prototypen einer Software zu programmieren, in der die Informationen rund um das Thema länderspezifisch abrufbar sein sollten. „Wir haben dann relativ schnell gemerkt, dass da etwas entsteht, das über die drei Monate des Projekts hinausgehen kann“, erzählt Vivian Loftin, die gerade ihre Masterarbeit im Bereich International Cultural and Business Studies schreibt. Darin geht es auch um Recycling.
Und plötzlich waren Recyda ein Start-up
Das Feedback der drei Kooperationsfirmen des Drei-Monats-Projekts in einem Frankfurter Co-Working-Space war am Ende derart gut, dass schon bald darauf die Gründung des eigenen Start-ups folgte. „Wir wollten die Idee einfach weiterverfolgen“, so Loftin. Die zwei Verpackungshersteller und ein Händler unterstützen sie seither weiterhin.
Einerseits, indem sie das Produkt nutzen und mit den Gründern über Verbesserungen sprechen, andererseits finanziell. Statt in studentischen Nebenjobs arbeiten die drei nun an der eigenen GmbH. „Dass sich das so entwickelt hat, ist für uns immer noch etwas verrückt“, sagt Vivian Loftin.
Seit der Gründung im März gab es Auszeichnungen in Gründerwettbewerben und das Tool kommt inzwischen nutzerfreundlicher daher. Das Ergebnis darf man sich zunächst ähnlich wie Google-Maps vorstellen. Klickt man auf das einem Land zugeordnete Fähnchen, bekommt man Informationen zum dortigen Recycling-Geschehen aufgeschlüsselt. Unternehmen können künftig mit einem Nutzeraccount die eigenen Produkte in unterschiedlichen Funktionen damit vergleichen.
Das Tool errechnet die Recyclingfähigkeit und stellt detaillierte Reports her. Acht europäische Länder hat das Start-up in der Demoversion bisher komplett ausgearbeitet. Die Zahl soll kontinuierlich wachsen, neben dem Füttern des Systems mit neuen Daten werden dabei auch die vorhandenen aktualisiert. In diesem komplexen Bereich ändern sich die Details ständig.
„Um der Abfallproblematik entgegenzuwirken, müssen Kreisläufe geschlossen werden. Wir wollen mit unserem Tool Transparenz in die gesamte Wertschöpfungskette bringen, um nachhaltige Entscheidungen zu ermöglichen“, formuliert es Anna Zießow, die an der Uni Freiburg Bachelor-Studiengänge in BWL und Umweltnaturwissenschaften absolviert.
Dass die Gründungsphase mitten in die Coronakrise hineinfiel, machte die Aufgabe einerseits schwierig, weil zum Beispiel keine Fachkongresse stattfanden, auf denen sie ihre Idee vorstellen konnten. Andererseits bewirkten die täglichen Videocalls eine Euphorie. „Wir sind richtig zusammengewachsen“, so Loftin.
Lizenzen für große internationale Firmen
Das Trio hat inzwischen auch Verstärkung an Bord: Seit November gehören fünf Werkstudenten zum Team. Aus den studentischen Home-Offices läuft kurz vor der Markteinführung der Vertrieb für Jahreslizenzen im fünfstelligen Euro-Bereich an einzelne große internationale Unternehmen.
Nach der Markteinführung hat das Start-up die Weiterentwicklung im Blick. „Langfristig wollen wir ein komplettes Verpackungsmanagement-System anbieten, in dem sich vom Vertrieb bis zum Design alle Bereiche eines Unternehmens verknüpfen können“ sagt Vivian Loftin.