Schneider Schreibgeräte trotzt der Digitalisierung und der Pandemie. Der Spezialist für Kugelschreiber, Textmarker und Füller aus Tennenbronn im Schwarzwald wächst und ist gut aufgestellt.
VON SUSANNE MAERZ
Es rauscht und zischt, als verschiedene Maschinen aus Edelstahlrohlingen die Spitzen für Kugelschreiber drehen, bohren und schleifen. Mit dem bloßen Auge sind die einzelnen Arbeitsschritte nicht zu erkennen. „Wir arbeiten hier im 400stel-Millimeterbereich“, sagt Martina Schneider, Personalchefin der Schneider Schreibgeräte GmbH, bei der Führung durch die Produktion. Sie betont: „Die Spitzenfertigung ist eine unserer Kernkompetenzen, da wir aus der Metallverarbeitung kommen.“ Das Know-how dafür zeichne Schneider als eine der wenigen Marken aus.
Später werden die zähflüssige Schreibpaste und die Kugel in die Spitze gegeben. „Das gute Zusammenspiel zwischen Spitze und Paste ist wichtig“, sagt die für Public Relations zuständige Anita Haas. Nur wenn das stimme, schreibe der Kugelschreiber am Ende sauber und gleichmäßig. Eine Mitarbeiterin prüft die Spitzen, bevor sie weiterverarbeitet werden. Über Treppen und eine Brücke führen Schneider und Haas durch die miteinander verbundenen Produktionshallen, die in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach angebaut worden sind.
Maschinen recyceln die Reste
An verschiedenen Fertigungslinien entstehen die unterschiedlichen Kugelschreibermodelle. An einer wird gerade der Klassiker des Unternehmens, der schlichte, seit Jahren gleich aussehende K15, in schwarz produziert. Die Maschine setzt erst die in der Kunststoffspritzerei gegossenen Schäfte in Position, nach und nach folgen Drücker, Rotor, Clip, Dekorationsring, Mine und Vorderteil. Am Ende macht es klack, klack, klack, und die fertigen Stifte fallen aus der Maschine in eine Kiste. „Der K15 ist der meistverkaufte Markenkugelschreiber in Deutschland“, sagt Anita Haas. Der Slider Rave zählt zu den Premium-Kulis von Schneider. Mit dem günstigsten, dem durchsichtigen Tops 505, macht Schneider weltweit den meisten Umsatz. Insgesamt hat Schneider rund 50 Kugelschreibermodelle im Portfolio.
Martina Schneider bleibt vor der Maschine stehen, in der die Schäfte des Tops 505 im Spritzgussverfahren gegossen werden. Roboter entnehmen die sogenannten Angüsse – sie werden zermahlen und wenig später für die Produktion weiterer Stifte verwendet. „Wir versuchen möglichst viele Überreste selbst zu recyceln und der Produktion wieder zuzuführen“, sagt Martina Schneider. Nachhaltigkeit sei dem Unternehmen sehr wichtig. Beispielsweise werden die Büros mit der Abwärme der Kunststoffspritzerei geheizt. Dienstrad- Leasing bietet das Unternehmen schon seit rund elf Jahren an – die meisten Mitarbeitenden kommen aus dem vier Kilometer entfernten Tennenbronn.
90 Prozent Fertigungstiefe
Eine Besonderheit von Schneider ist die hohe Fertigungstiefe von 90 Prozent. Seit einigen Jahren produziert das Unternehmen auch einen Teil der Tinte selbst. Am Stammsitz in Tennenbronn, wo 430 der 660 Beschäftigten arbeiten, entstehen vor allem Kugelschreiber. Am Standort in Wernigerode im Harz, den der damalige Geschäftsführer Roland Schneider nach der Wende übernommen und neu aufgebaut hat, produzieren die 135 Mitarbeitenden Füller, Rollerballs und Marker. „Wir setzen auch weiterhin auf die Fertigung in Deutschland. Das ist zwar teuer und aufwändiger, aber es macht Sinn und hat sich bewährt, die Kompetenz im Haus zu haben“, sagt Martina Schneider. Auch die meisten Lieferanten kommen aus der Region. Von den Lieferkettenproblemen sei das Unternehmen vergleichsweise mild getroffen worden.
Drei Millionen Schreibgeräte entstehen bei Schneider am Tag. 40 Prozent der Produkte werden in Deutschland verkauft, 60 Prozent gehen in die ganze Welt. In derzeit 136 Ländern auf allen Kontinenten arbeitet das Unternehmen mit Distributoren zusammen. Europa ist nach wie vor der wichtigste Markt von Schneider, China der größte Auslandsmarkt. Vor allem Füller „Made in Germany“ sind dort laut Anita Haas in den vergangenen Jahren gefragt. „Unsere Stärke ist, dass wir so viele Produkte haben und in so vielen Ländern präsent sind“, sagt sie. So könne man die extremen Schwankungen, die es im Schreibgerätegeschäft immer gebe, abfangen.
Produkte für Hobbykünstler
Die breite Ausrichtung hat dem Unternehmen auch in der Coronapandemie geholfen. Wegen ausgefallener Veranstaltungen brach zwar die Nachfrage nach personalisierten Werbeschreibgeräten ein. Dagegen verkaufte Schneider während der Lockdowns, als die Menschen viel Zeit zu Hause verbrachten, besonders viele Acrylmarker, Metallicstifte und andere Produkte für Hobbykünstler. In diesem Bereich kooperiert das Unternehmen mit der Firma Molotow aus Lahr, die auf Spraydosen, Farben und Stifte für Künstler spezialisiert ist.
Komplette Stifte stellt Schneider erst seit 1960 her. Das Unternehmen startete 1938, wie so viele Unternehmen aus dem Schwarzwald als Drehteilehersteller und Zulieferer für viele Branchen. Auch Teile für Füller waren darunter. 1950 begann Gründer Christian Schneider mit der Minenproduktion – diese vertreibt Schneider heute auch noch an andere Unternehmen –, zehn Jahre später kamen dann die kompletten Stifte dazu. Seitdem ist das Sortiment stetig gewachsen.
Ein weiterer bekannter Minenproduzent sitzt im nur wenige Kilometer entfernten St. Georgen: Die Produkte der Schmidt Technology GmbH sind indes nur in Stiften anderer Marken zu finden. Die Stifte von Schneider sind vor allem im Schreibwarenhandel erhältlich. Dort müssen sich die hochwertigen Kugelschreiber gegen Marken wie Stabilo, Faber-Castell und Städler behaupten, die Füller gegen Lamy und die Marker gegen Edding. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ist Schneider Marktführer bei den Markenkugelschreibern in Deutschland. Unter den Top 10 der Markenkulis sind laut GfK sechs Schneider-Produkte.
Das Unternehmen wächst seit Jahren. Im ersten Coronajahr konnte Schneider immerhin das Vorjahresniveau halten. 2021 legte Schneider um 14 Prozent zu und setzte im Konzern knapp 124 Millionen Euro um. Für dieses Jahr rechnet Martina Schneider mit einem Plus von sieben Prozent (Stand Oktober). „Wir stehen sehr stabil da, uns geht es gut“, sagt sie. Gleichwohl fordern Inflation und Energiekrise auch den Schreibgerätehersteller heraus.
Dennoch hält das Unternehmen, das Martina Schneiders Bruder Christian in dritter Generation gemeinsam mit dem langjährigen Mitarbeiter Frank Groß führt, an der lange geplanten, größten Einzelinvestition der Unternehmensgeschichte fest: Zurzeit entsteht am Firmensitz ein vollautomatisiertes Kleinteilelager. Dafür, dass es ins enge Tal zwischen Schramberg und St. Georgen passt, musste viel Fels gesprengt werden.