Die Breisacher Tapetenfabrik Erismann profitierte im ersten Coronajahr vom Heimwerkerboom und spürt nun die Zurückhaltung der Verbraucher angesichts der Inflation. In Russland produziert das Unternehmen trotz des Ukraine-Kriegs weiter.
VON SUSANNE MAERZ
Es rauscht und rattert in der Produktionshalle des Tapetenherstellers Erismann in Breisach. Nach und nach tragen die Produktionsanlagen verschiedenen Farben und Schäume auf eine weiße Vliesrolle auf und trocknen diese. Eine mit geschlungenen grünen Blättern und rosa Blüten bedruckte Tapetenrolle verlässt die rund 70 Meter lange Produktionsstraße. Geschnitten und verpackt wird sie versandbereit eingelagert.
In Deutschland ist Erismann die Nummer drei der Tapetenhersteller. Am Breisacher Unternehmenssitz arbeiten knapp 200 der insgesamt über 500 Beschäftigten der Firmengruppe. In der britischen Vertriebsgesellschaft sind es drei. Größter Standort ist die 2003 gegründete Tochterfirma, die in der Nähe von Moskau ihren Sitz hat. Rund 350 Frauen und Männer sind hier beschäftigt.
Welchen Umsatzanteil die russische Tochter erwirtschaftet, dazu äußert sich der geschäftsführende Gesellschafter Maximilian Bercher nicht. Aber er berichtet, dass die Maschinen auch seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine laufen. Das ist erlaubt, das Unternehmen ist nicht von den Sanktionen betroffen.
„Direkt und indirekt hängen 1000 Menschen an dem Standort, für die wir eine Mitverantwortung haben“, sagt der für den Vertrieb verantwortliche Geschäftsführer Dietmar Everding. Außerdem gebe es nach 19 Jahren auch viele freundschaftliche Bindungen zu vielen Mitarbeitern. Gleichwohl läuft das Geschäft nicht ganz wie früher: „Wir stoßen keine großartigen neuen Investitionen an, arbeiten weiter und beobachten die Situation“, sagt Bercher.
Zurückhaltung nach dem Aufschwung
Ob sie dafür kritisiert werden, dass sie in Russland bleiben? Everding verneint. Bislang hätten alle, mit denen man darüber gesprochen habe, Verständnis für ihre Position geäußert. Das liege sicherlich auch daran, dass die in Russland produzierten Tapeten nur dort und in Anrainerstaaten wie Kasachstan, Georgien, Usbekistan und Belarus verkauft würden – die Ukraine wird seit 2014 von Breisach aus beliefert – und reine Konsumgüter seien.
Russland ist der größte Tapetenmarkt weltweit. Angesichts der kriegsbedingten Inflation geht dort allerdings derzeit der Absatz zurück. Wie überall weltweit. Auch in Deutschland spüren die Kunden von Erismann, Fach- und Großhandel, Baumärkte, Discounter und Onlinehändler, die Kaufzurückhaltung und bestellen demensprechend weniger.
Das war vor rund zweieinhalb Jahren komplett anders. Nach einem kurzen Einbruch nach Ausbruch der Pandemie wuchs die Nachfrage nach Tapeten wie noch nie. „Von den Ertragszahlen her war 2020 das beste Jahr in der Unternehmensgeschichte“, sagt Everding. Mehr als 100 Millionen Euro wurden umgesetzt. Erismann profitierte, so wie Möbelhäuser oder Heimwerkergeschäfte auch, davon, dass die Menschen die unfreiwillig freie Zeit in den Lockdowns zum Renovieren und neu Einrichten ihrer Wohnungen und Häuser nutzen.
2021 flachte die Sonderkonjunktur ab, und auch Erismann bekam die Folgen der Pandemie wie die explodierenden Rohstoffkosten und die steigende Inflation bereits ein wenig zu spüren. Die Zahlen waren aber „auch noch ordentlich“, sagt Bercher. Dieses Jahr liege man derzeit zehn Prozent unter 2021. Mehr als die Tapetenhersteller leiden deren Lieferanten – allen voran Papierfabriken, die an ihre Kunden einen Teil der gestiegenen Kosten weitergeben. Die steigenden Energiepreise zählen für Bercher zu den derzeitigen Ungewissheiten – so, wie das bei fast allen energieintensiven Unternehmen der Fall ist.
Meilenstein Digitaldruck
Die Tapeten gelangen von Breisach aus in 70 bis 80 Länder weltweit, allen voran nach Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Was die Kunden bestellen, ist von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland sind florale Motive gefragt. Zudem liegen geometrische Formen, häufig mit Metallic-Optik im Trend. Während in Deutschland Weiß, Beige und Grautöne dominieren, sind es in Belgien eher dunklere, in England dagegen kräftige Farben.
Rund 2000 verschiedene Tapeten hat Erismann auf Lager. Sie teilen sich auf drei Linien auf, für kommendes Jahr ist als vierte eine nachhaltige Linie geplant. Aushängeschild sind die beiden Lizenzkollektionen, für die das Unternehmen mit dem Designer Guido Maria Kretschmer und dem Magazin Elle Decoration zusammenarbeitet.
Beide Lizenzen sind für Inhaber Bercher Meilensteine in der Geschichte des 1838 gegründeten Unternehmens. So wie auch der Umzug in den heutigen Standort am Rande von Breisach im Jahr 1993 und der Erwerb des Digitaldruck-Boutique Weco aus Holland mit zehn Mitarbeitenden diesen Juli. Während Erismann bislang auf klassische Tapetendruckverfahren vor allem im Tiefdruck setzt, ist Weco auf digitalen Tapetendruck spezialisiert.
Dieser macht es möglich, Tapeten in kleineren Mengen zu produzieren. Die digitale Ausrichtung ist auch der Grund für den Kauf: „Wir versprechen und davon, Erfahrungen zu sammeln, bevor wir selber Investitionsentscheidungen treffen“, sagt Bercher. Der Zeit- und Kostenrahmen stehe noch nicht fest. Das Ziel indes schon: „Es geht um die Zukunftssicherung des Standorts Breisach.“