In welchen Kneipen laufen die Spiele der Bundesliga, Champions League und Co.? Und lohnt sich das bei all dem Lizenzen-Wirrwarr für die Betreiber überhaupt noch? Ein kleiner Rundumblick.
Protokolle und Interview: Julia Donáth-Kneer
Mick Gäntzel (50), Heimathafen, Lörrach
200 Sitzplätze im Pub, Sky, Dazn
Hotel, Hostel, Eventlocation, Pub – im Lörracher Heimathafen ist viel geboten. Auch Fußball. Inhaber Mick Gäntzel ist seit 28 Jahren im Kneipengeschäft, vor zehn Jahren hat er den Heimathafen eröffnet. „Ein Pub ohne Fußball geht nicht“, sagt der 50-Jährige, aber er gibt zu: So natürlich sei das wiederum doch nicht. Zuletzt habe er lange überlegt, ob er weiterhin am Ball bleibt. Die monatlichen Kosten für Sky und Dazn lagen bei knapp 2000 Euro. Denn während Dazn mit einem Gastro-Pauschalpreis von rund 350 bis 400 Euro arbeitet, erhebt Sky seine Gebühr pro Quadratmeter – und das wird schnell teuer. „Früher haben sie sogar die Toiletten mitgerechnet, das ist zum Glück nicht mehr so“, sagt Mick Gäntzel. „Aber zum Beispiel die Fläche hinter der Theke zählt dazu.“ Und in seinem Pub kommt da ordentlich etwas zusammen. Allein elf Fernseher und eine Leinwand hängen hier. 200 Sitzplätze hat der Laden, da musste eine Lösung her. Seit dieser Saison läuft Sky nur noch in der zum Betrieb gehörenden Schwarzwald Stube, die hat deutlich weniger Quadratmeter und Raum für 38 Leute. Damit sind die Kosten fürs Skyabo auf 500 Euro monatlich gesunken. Die Dazn-Spiele, unter anderem Bundesliga am Freitag und Sonntag sowie einige Spiele der Champions League, werden nach wie vor im Pub übertragen. Ein Winkelzug, der sich für den Gastronomen gelohnt hat. „Es kommen ohnehin mal zwölf, mal vier Leute. Dass es stabil läuft, mit 50 Gästen und mehr, das gibt es heutzutage in Lörrach kaum noch“, sagt Gäntzel, der den Heimathafen mit insgesamt elf Festangestellten betreibt. Sein Vorschlag: „Für uns aus der Gastronomie wäre es wünschenswert, wenn das Durcheinander mit den verschiedenen Sendern geregelt werden könnte. Wir haben die Power das durchzuziehen, aber ich verstehe jeden, der da aussteigt.“
Wilhelm Kläsle (66), Kläsle Restaurant, Breisach
210 Sitzplätze im Innen- und 140 im Außenbereich, Keine Sender
25 Jahre lang hat Wilhelm Kläsle Bundesliga, Champions League, Europa League und den DFB-Pokal gezeigt. Eine Institution in Breisach, doch 2019 war Schluss. „Zuletzt hatten wir über 12.000 Euro Kosten im Jahr nur für die Skylizenz“, erzählt der 66-Jährige am Telefon. Das Ausgehverhalten der Leute habe sich verändert. „Keiner kommt mehr und trinkt zehn Bier.“ Den Sender Dazn hat Kläsle vergangenes Jahr noch mal angeschafft, weil der Sport-Club in der Europa League war und daher oft sonntags in der Bundesliga gespielt hat. „Die Europa League und die Sonntagsspiele haben sich gelohnt“, sagt er. „Aber alles andere rechnet sich für uns nicht.“ Dafür ist sein Laden aber auch nicht ausgelegt, der Schwerpunkt liegt mittlerweile woanders: 1993 hat der Gastronom das Restaurant gegründet, vor zehn Jahren um eine Eventhalle mit 300 Sitzplätzen erweitert. Hier finden Hochzeiten, Firmenevents und andere große Gesellschaften statt. Wenn samstags das Restaurant mit Veranstaltungsgästen voll ist, passt die Bundesliga ohnehin nicht mehr richtig rein. Die EM hat Kläsle allerdings gerne mitgenommen: mit großem Public Viewing auf der Terrasse direkt am Rhein. Da schlug das Fußballerherz wieder höher.
Heinz Bohn (70), Go In, Breisach
50 Sitzplätze, Sky, Dazn, Amazon Prime
Heinz Bohn ist ein Fußballkind. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er wurde 1954 am Tag des legendären Weltmeisterschaftsfinals zwischen Deutschland und Ungarn – dem Wunder von Bern – geboren. „Mein Vater hat mir nie verziehen, dass er wegen mir das WM-Finale verpasst hat“, erzählt er lachend. Viele Jahre später ist Bohn immer noch eng mit dem Fußball verbunden. Seit über 50 Jahren arbeitet er in der Gastronomie, hat sich vor elf Jahren selbstständig gemacht und führt das Bistro „Go In“ in Breisach. Neben Grillhähnchen immer auf der Karte: Fußball. Bundesliga, Champions League, Europa League, Pokalspiele – „wenn schon, dann läuft alles“, sagt Bohn. Früher kam das auch richtig gut an. „Damals zogen sich die Fans die Trikots ihres Vereins an und die Kneipe war voll“, erzählt er am Telefon. Das ist heute anders. „Rentabel? Nein, es ist nicht rentabel“, sagt Heinz Bohn. Vor allem die Abendspiele seien uninteressant, die Leute schauen lieber zuhause. Nur wenn der SC spielt, füllt sich der Laden. Für seine rund 80 Quadratmeter große Brasserie zahlt er 15.000 Euro jährlich, einen Großteil für Sky, dann noch für Dazn, Amazon Prime und an die Gema. „Es ist ja schön. Der Fußball gehört für mich einfach dazu“, sagt Heinz Bohn. „Es ist ein Hobby. Ein sehr teures Hobby.“
Reinhard Kaltenbach (64), Café Huber, Simonswald
40 Sitzplätze, Sky
Bodenständige Küche, Gästezimmer und immer ein offenes Ohr für Einheimische und Touristen: Das Kultrestaurant Café Huber in Simonswald ist seit 52 Jahren in Familienbesitz. Geführt wird es von Reinhard und Carola Kaltenbach. Wenn die Presse anruft, macht es Sohn René. Der 36-Jährige erzählt im Interview von der großen Liebe seiner Eltern zum Bundesligafußball. Vor allem sind in Simonswald die Samstagmittagsspiele beliebt, seit dem Kuddelmuddel mit den Pay-TV-Lizenzen sind es ohnehin die einzigen, die noch gezeigt werden. Aber die Gäste wissen, dass sie sich aufs Café Huber verlassen können und kommen gerne her. Neben der Leinwand im Gastraum hängt ein Fernseher im Keller. „Wirklich lukrativ ist es für uns nicht, aber darum geht es nicht. Wir machen es gerne für unsere Stammgäste“, sagt René Kaltenbach.
Beatrice Lorenz (38), Harmonie Flammkuchenhaus, Freiburg
160 Sitzplätze, Sky, Dazn, Amazon Prime
Auch wenn viele Gastronomen ächzen, bei manchen herrscht echter Fußballboom. Zum Beispiel im Restaurant Harmonie in der Freiburger Innenstadt. „Wir haben 2017 damit begonnen, Fußball auf Großbildleinwänden zu übertragen und das war so ein großer Erfolg, dass wir regelrecht überrannt wurden“, erinnert sich Inhaberin Beatrice Lorenz, die das Familienrestaurant seit 2006 gemeinsam mit ihrer Schwester führt. Lorenz reagierte: Einerseits passte sie die Reservierungsoptionen an, sodass neben den Stammgästen auch Touristen die Chance haben, einen Tisch zu ergattern, andererseits steckte sie Geld in die Ausstattung. „Wir haben große Fernseher gekauft, in die Soundanlagen investiert, weiter ausgebaut“, erzählt die 38-Jährige. Nun hat die Harmonie im Gastraum und im Wintergarten insgesamt sieben Fernseher, teilweise im XXL-Format und mit Profisound. Die Gäste danken es ihr. „Wir sind bei jedem Bundesligaspiel ausgebucht“, berichtet die Gastronomin, die mittlerweile sogar Türsteher beschäftigt, weil der Service nicht hinterherkommt, die Schlange stehenden Gäste zu koordinieren. „Bei uns ist am Samstag und Sonntag ohnehin Hochbetrieb, aber da essen die Leute mehr und wir können im Stundenwechsel die Tische neu besetzen. Wenn Fußball läuft, sitzen die Gäste länger und verzehren weniger.“ Das heißt: An einem Samstag im Fußballchaos setzt die Harmonie nicht mehr um als einem normalen Wochenendtag. Aber das macht nichts. „Durch die Fußballübertragungen haben wir deutlich an Bekanntheit zugenommen und viele Stammgäste gewonnen“, sagt Beatrice Lorenz. „Deshalb sehe ich es so: Unsere Kosten für die Investitionen und die Lizenzen sind hoch. Aber der Nutzen auch.“ Ab kommender Saison gibt es etwas Neues. Die Familie hat den zum Restaurant gehörenden Gewölbekeller umgerüstet, es gibt drei Leinwände und Thekenbetrieb. Wer nichts essen, sondern nur das Spiel schauen möchte, ist dort richtig. Diese Idee kam Lorenz während der EM, wo sie sehr gut angenommen wurde. Nun plant sie zum Saisonstart der Bundesliga eine dauerhafte Öffnung.
Interview: “Genau hinschauen”
Herr Hangleiter, vor welchen Herausforderungen stehen Wirtinnen und Wirte in Bezug auf die Lizenzgebühren?
Andreas Hangleiter: Man muss sich die Verträge betriebswirtschaftlich ganz genau anschauen, um zu sehen, ob es sich für einen rechnet. Das ist natürlich von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Am Ende sollten sich die Kosten für die Lizenzen tragen und die Ertragsspannen müssen stimmen. Hinzu kommt: Das Ausgehverhalten der Menschen hat sich verändert. Wenn immer weniger zum Fußballschauen kommen, denkt sich manch einer: Dafür, was hier hängen bleibt, mache ich nicht auf. Erstens weil es sich nicht rechnet und zweitens, weil man sein knappes Personal lieber dort einsetzt, wo es betriebswirtschaftlich mehr Sinn macht.
Bei unserer Umfrage unter Wirten kam heraus: Für die allermeisten ist es nicht lukrativ, Fußball zu zeigen. Was ist Ihre Einschätzung?
Hangleiter: Vor allem vor dem Hintergrund der gestiegenen Kosten fragen sich Betriebe: Wo kann ich sparen? Was lohnt sich für mich und was nicht? Und bei den Ausgaben, zum Beispiel für Sky oder Dazn, kommen Beträge zusammen, die ebenfalls vom Verkaufspreis abgedeckt sein müssen. Bei manchen Betrieben springen dann solche Angebote über die Klinge. Zugleich gibt es aber einige, die weiterhin Fußball zeigen, ob das zu den Ertragsbringern gehört oder nicht – einfach, weil es ein Angebot für ihre Gäste ist.
Anfang des Jahres hat der Dehoga seine Mitglieder informiert, dass es Änderungen beim Sky-Abo bezüglich der Gema-Gebühren gibt, vor allem, was das Zeigen von Sportveranstaltungen angeht. Was hat es damit auf sich?
Hangleiter: Bisher war die Lizenz für die öffentliche Wiedergabe von Fernsehsendungen im Sky-Abonnement enthalten. Das heißt, mit dem Sky-Abopreis war auch die Gebühr an die Gema für die urheberrechtliche Vergütung abgegolten. Das hat sich zum 1. Januar 2024 geändert, nun müssen die Wirte je nach bereits gebuchtem Gema-Tarif jeden Fernseher einzeln zusätzlich abrechnen. Bei Übertragungen mit Veranstaltungscharakter wird außerdem noch die Raumgröße zu Grunde gelegt.
Was heißt das für die Betriebe konkret?
Hangleiter: Erstens: Es sind weitere Kosten. Und zweitens, und das finde ich emotional wichtig: Änderungen bedeuten bürokratischen Aufwand für die Wirtinnen und Wirte, etwa die Auseinandersetzung mit dem Kleingedruckten. Dass man sich darüber ärgert, halte ich nicht für abwegig.