Wasser bietet ganz viele Annehmlichkeiten, wir können in seiner Nähe regenerieren, wir können seine Energie nutzen, es als unverzichtbares Getränk schätzen, aber wir müssen uns auch davor in Sicherheit bringen. In Südbaden vielleicht nicht so sehr wie in anderen Weltregionen, aber das Thema beschäftigt auch hier viele Menschen.
VON RUDI RASCHKE
Es zieht uns wieder ans Wasser. Immer wieder, wenn der Sommer nicht mehr weit ist. Das hat gerade in Zeiten wie diesen etwas Verlässliches wie Tröstliches. Die Menschen bevölkern die Freibäder, Flussufer, die Seen, Meeres- und Ozeanstrände.
Wasser bietet in diesem Fall (das Freibad mal ausgeklammert) Weite, manchmal Unendliches. Menschen können sich in seinem Anblick verlieren, sie können runterkommen, untertauchen. Gewässer können Aufbruch versprechen, wenn auf große Fahrt gegangen wird, sie können aber auch einfach nur zum Rumlungern und Nichtstun verleiten – beides ist an ein und demselben Wasser möglich, beides fasziniert uns: Ruheort und Kraftquelle.
Ganz offenbar mehr als die Sommerfrische ohne Gewässer: Nichts gegen Berge und Wälder, aber gut 60 Prozent der Deutschen gibt über die Jahre hinweg in Umfragen das Meer im In- oder Ausland als Lieblingsziel an. Und auch wenn mancher überfüllte Strand so gar nicht danach ausschaut, scheint er doch das Nonplusultra unserer Landsleute zum Sorgenvergessen sein. Psychologen loben die Möglichkeit zum Nachinnenschauen, zur Introspektion, wenn wir aufs Wasser blicken. Für viele Menschen bringen aber auch schlicht die Erinnerungen an selige Kindheitsurlaube das Befreiende am Wasser.
Der Fluss – Lebensraum und Wirtschaftsfaktor
Flüsse dagegen scheinen weniger auf- oder zugleich abregend auf Menschen wirken. Flüsse sind sowohl Lebensräume wie auch schlicht Wirtschaftsfaktoren. Städte, die nicht am Meer lagen, sind traditionell an Flüssen gegründet worden. Sie stellen seit jeher Trink- und Nutzwasser bereit, aber auch wichtige Transportwege. Heute garantieren sie Artenvielfalt von Tier und Pflanze und bei einer hohen Wasserqualität auch Sicherheit für den Menschen.
Zur Sicherheit und Artenvielfalt rund um Fließgewässer geschieht auch in der Region sehr viel. Die Zahlen des Regierungsbezirks Freiburg, der Region Südbaden, hierzu sind beachtlich:
Im integrierten Rheinprogramm sind insgesamt 13 große Maßnahmen zum Hochwasserschutz in Planung, im Bau oder bereits in Betrieb. Beginnend bei Weil reicht das bis in den Norden von Karlsruhe. Die Gesamtsteuerung in fachlicher und finanzieller Hinsicht liegt für alle 13 Rückhalteräume beim Regierungspräsidium Freiburg, bei den neun davon innerhalb der Bezirksgrenzen gehört dazu auch die konkrete Planung, der Bau und der Unterhalt. Zwei bereits in Betrieb befindliche Beispiele sind das Kulturwehr Kehl/Strasbourg und die Polder bei Altenheim.
Gewässerschutz und Renaturierung
Zum Thema gehört, dass der Hochwasserschutz durch die Maßnahmen am Oberrhein natürlich auch den nördlichen Anrainern des Rheins dient. Um nördlich von Iffezheim bei Baden-Baden einen wirksamen Schutz vor einem alle 200 Jahre auftretenden („200-jährlichen“) starken Hochwasser zu bieten, muss deshalb der Hochwasserschutz im Süden gewährleistet sein.
Die Kosten für alle 13 Rückhalteräume belaufen sich mittlerweile auf 1,88 Milliarden Euro, für jede Maßnahme plant das Regierungspräsidium eine Bauzeit von rund 10 Jahren. Die ursprünglich geplante Fertigstellung aller Bauten bis um Jahr 2028 kann nicht eingehalten werden, realistisch ist, dass bis zu diesem Jahr wenigstens alle 13 Rückhalteräume am Rhein in Bau sind. Eine Einweihung des letzten dürfte dann eher zehn Jahre später, im Jahr 2038, zu feiern sein. Wenn es denn gefeiert wird, denn naturgemäß gab es im Laufe der Planung seit dem deutsch-französischen Vertrag zum Thema (1982) immer wieder auch Protest in den betroffenen Gemeinden. Natürlich sind die Menschen den Rhein-Niederungen über Jahrhunderte immer näher gerückt, auch durch den Ausbau und die Begradigung. Frühere Überflutungsgebiete wie die Auenwälder stehen nicht mehr in diesem Maß zur Verfügung, obendrein sind die Überschwemmungen nach Starkregen und Schneeschmelze während der Planungen heftiger geworden.
Auch die ökologische, gezielt durchgeführte Flutung etwa alle zehn Jahre zum Erhalt der sogenannten „Auenökologie“, also der Lebensräume dort, blieb nicht ohne Debatten angesichts des Bürgersinns in der Region. Zugleich weist das Thema in Richtung der anderen großen Gewässeraufgabe des Regierungsbezirks: der Renaturierung.
Auf der einen Seite steht hier ganz konkrete Lebensqualität für Mensch und andere Lebewesen, am deutlichsten zu sehen am veränderten Bett der Dreisam im Freiburger Stadtteil Waldsee (die sommerlichen Pizzakarton-Überreste ausgenommen), wo ein revitalisierter Lauf auf wenigen hundert Metern für ein neues Flussgefühl gesorgt hat. Auf der anderen Seite gehören zur Renaturierung strenge Vorgaben, EU-Vorgaben, „Wasserrahmenrichtlinien“ und auch Sanktionen aus Brüssel, wo diese nicht eingehalten werden.
Die genauen Bürokratie-Details mögen den Lesern erspart bleiben, nur soviel: Bis 2027 sollten die Erneuerungen für rund 700 Kilometer Flusslauf abgeschlossen sein, rund 150 Kilometer Fluss und Bach sind bereits in neuen Betten unterwegs. Es gelte, „mehr Tempo in den Prozess zu bringen“, sagte die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer Ende Mai zum Thema, als sie rund 600 Einzelmaßnahmen von Schutter bis Wiese bekannt gab.
Michael Ortlieb, der beim Regierungspräsidium in Freiburg für Hochwasserschutz (mit Ausnahme des Rheins) und Gewässerokölogie zuständig ist, erklärt die Renaturierung so, dass „Flüsse und Bäche mehr Platz bekommen, sodass ursprüngliche Gewässerläufe wieder hergestellt werden, beispielsweise auch durch Rückbau oder -verlegung bestehender Dämme.
“Dies sei übrigens nicht nur zugunsten der Artenvielfalt sinnvoll, sondern in Teilen auch Vorbeugung gegen Hochwasser, „weil größere Wassermengen in der Fläche zurückgehalten werden“, sagt Ortlieb. „Die bessere Versickerung trägt außerdem zur Grundwasseranreicherung und damit zur Bekämpfung der Dürre bei.“
Anders als die großen Hochwasserschutzprojekte am Rhein dauert es bei Renaturierungen in der Umsetzung „nur“ zwei bis drei Jahre, nachdem die Planfeststellung erledigt ist. Es gebe bei Renaturierungen in der Regel nur wenig kontroverse Diskussionen mit Umweltverbänden, erklärt Ortlieb. Beim Hochwasserschutz sei dies hin und wieder der Fall, beispielsweise, wenn Bäume, die auf sanierungsbedürftigen Dämmen gewachsen sind, weichen müssen.
Um den Kreis zwischen Hochwasser- und Dürre-Prophylaxe, aber auch der Ertüchtigung naturnaher Flussläufe zu schließen: Diesen Sommer wird die ebenfalls erneuerte Donauquelle in Donaueschingen am Zusammenfluss von Brigach und Breg eingeweiht. Wo es früher etwas zierbrunnenhaft im fürstlichen Park als Donauquelle präsentiert wurde, während der eigentliche Zusammenfluss in einer schnöden Ecke des Städtchens war, ist dort jetzt eine Auenlandschaft entstanden.
Im Sommer, genau am 14. Juli, jährt sich allerdings auch die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. 134 Menschen verloren dabei ihr Leben, tausende ihre Existenz, allein 8.800 Häuser sind zerstört worden. Bei einem Hochwasser, dessen Pegelstände in den Kategorien von 100- oder 200-jährlich nicht mehr greifbar waren. Und jenseits der Diskussion um die Folgen und ein Behörden-versagen auch nicht verhinderbar. Wohlgemerkt eine Katastrophe bei einem Fluss, der mit 86 Kilometern Länge etwa die Länge der badischen Kinzig hat.
Der Referatsleiter Michael Ortlieb ist sich nicht allein wegen der Ereignisse an der Ahr sicher:
„Beim Hochwasserschutz sehen wir eine deutliche Sensibilisierung der Menschen für das Thema.“
Auch wenn man aus Studien wisse, dass gerade das Hochwasser die Naturkatastrophe darstellt, die die Menschen im Bewusstsein am schnellsten wieder verdrängen, mehr als jede andere wie zum Beispiel Erdbeben. Und so ist eines sicher: Zeit zu handeln, wenn es ums Wasser geht.