Zeit kann man nie genug haben. Nur hat man blöderweise meistens zu wenig davon. Es ist dieses subjektive Gefühl, das sehr viele Menschen teilen. Gerade im Arbeitsleben stehen wir immer wieder vor der Frage, wie wir unsere Zeit am besten strukturieren, ohne uns dabei zu verzetteln. Frauen und Männer in Führungspositionen aus der Region haben uns erzählt, wie sie ihr Zeitmanagement handhaben.
VON DANIEL RUDA
Matthias Altendorf, CEO der Endress+Hauser Gruppe
„Napoleon hat einmal gesagt: «Es gibt Diebe, die nicht bestraft werden und dem Menschen doch das Kostbarste stehlen: die Zeit.» Deshalb arbeite ich grundsätzlich nach dem Eisenhower-Prinzip. Ich bewerte Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit – und sehe so, ob ich etwas selbst erledigen muss oder delegieren kann, ob es sofort sein muss oder geplant werden kann. Meine Assistentin führt meine Agenda nach diesem Prinzip, sie optimiert Wege und Abläufe. Daneben hilft nur Disziplin, die Tage gut zu nutzen. Jeden Monat über- prüfe ich meine Jahresplanung. Am Sonntagabend gehe ich durch den Plan für die Woche, jeden Abend prüfe ich den Kalender für den nächsten Tag. E-Mails, Telefonate, Videokonferenzen haben Zeitfenster. So schaffe ich Freiräume für wichtige Dinge – etwa Gespräche mit Menschen. Jeder im Unternehmen, der das Bedürfnis hat, bekommt einen Termin. Überhaupt hat das Pflegen von Kontakten und Beziehungen für mich hohen Stellenwert. Meine sportlichen Aktivitäten plane ich fix in den Kalender ein. Der Freitagabend gehört immer der Familie. Und mindestens ein- mal im Jahr gehe ich für drei Wochen am Stück in Urlaub!“
Anja Simon,
Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Freiburg
„Es gibt einige Regeln zum Zeitmanagement, die ich als sehr wertvoll empfinde und die es mir erlauben, in meinem Arbeitsalltag den Überblick zu bewahren. Das entscheidendste ist, Themen auf inhaltlicher und zeitlicher Ebene zu priorisieren und dann entsprechend anzugehen. Ein echter Zeitfresser ist es, wenn Dinge mehrfach nur halb getan werden. Deshalb versuche ich, Themen jeweils nur einmal anzupacken – und dann richtig. Was ich nicht selbst bearbeiten muss, gebe ich ab. Die Kunst dabei ist, den Überblick zu behalten. Für die Abstimmung bevorzuge ich Teambesprechungen anstelle vieler Eins-zu-Eins-Termine. Zu Beginn der Corona-Pandemie gab es eine gewisse Entspannung in den Terminkalendern, weil Vor-Ort-Termine nicht mehr stattfinden konnten. Aber das hat sich längst geändert. Mittlerweile ist der Kalender voller als je zuvor, weil eine Video-Konferenz die andere jagt. Hier lohnt es sich, Zeitfresser und unnötige Themen gezielt zu eliminieren. Schnelle Kommunikation ist heute selbstverständlich. Gleichzeitig dürfen zeitaufwändigere Aufgaben nicht liegen bleiben. Deshalb haben sich für mich Zeitslots bewährt: für Mails, aber auch für komplexere oder kreative Aufgaben, um diese intensiv zu bearbeiten. Dann ist am Ende die Zeit genutzt.“
Uwe Barth, Vorstandssprecher der Volksbank Freiburg
„Ich bin kein Freund von Improvisation. Dadurch ist meine Zielsetzung, für jeden Termin ausreichend vorbereitet zu sein. Das bedeutet für mich: Kenne deinen Gesprächspartner, kenne die Themen, kenne die relevanten Fakten und bereite deine Position vor. Das gelingt meistens, aber leider nicht immer. Der Schlüssel dazu liegt nicht in irgendwelchen Tools sondern ganz klassisch im Kalender: Ich kenne meine Termine in den kommenden Wochen genau und bereite mich frühzeitig vor – Hektik und Vorbereitung direkt vor dem Termin vermeide ich konsequent. Dabei reserviere ich mir bewusst Zeitblöcke für die Vorbereitung, gerade dann, wenn das Thema komplex ist. Früher habe ich regelmäßig das Wochenende dafür genutzt, heute halte ich mir den Freitagnachmittag und den Montagmorgen möglichst frei. So bleibt das Wochenende meist für die Familie reserviert. Es hilft aber auch ungemein, die Arbeit nicht als Last, sondern Erfüllung zu betrachten. Ich schaue nicht auf die Uhr und mir macht es Freude, die Volksbank zu repräsentieren. So sind auch Abendtermine kein notwendiges Übel – wenn nach der Pandemie endlich wieder welche stattfinden.“
Hansjörg Fetzer, Geschäftsführer der Haufe Akademie
„Das Thema Selbst- und Zeitmanagement ist aus meiner Sicht vor allem eine Frage der inneren Einstellung. Als Führungskraft muss ich mir meine Zeit bewusst einteilen: Es gibt Phasen, da steht viel Strategiearbeit an. Dazu blocke ich mir Slots im Kalender, um in Ruhe zu arbeiten. Und dann gibt es wieder Phasen, in denen mehr Führungsarbeit ansteht und ich viele Gespräche führe. Es ist wichtig, den Fokus auf die „eigentlichen Aufgaben“ zu legen, anstatt sich operativ komplett vereinnahmen zu las- sen. Die Nutzung unterschiedlicher Tools kann dabei behilflich sein, ist für mich aber nicht ausschlaggebend. Was mir dabei hilft den Fokus zu halten, ist, dass ich weiß, dass ich mit meiner Arbeitsweise auch ein Signal an alle Kollegen sende. Dadurch kann ich mich gleichsam selbst disziplinieren. Ich will nicht, dass meine Führungskräfte und Kollegen sich in Micromanagement verzetteln. Und gleichzeitig möchte ich, dass sich alle Mitarbeiter gut miteinander austauschen, netzwerken, miteinander ins Tun kommen – das muss ich vorleben und dafür Zeit einplanen.“
Florian Karle Geschäftsführender Gesellschafter vom Versicherungsmakler Südvers
„Mein Tag ist eigentlich immer ganz gut gefüllt und vorgeplant. So sind bereits heute schon Termine für den Herbst 2021 und gar den Januar 2022 geplant. Für manche Dinge muss man sich abseits aller Planung aber auch einfach Zeit nehmen. Die Kombination aus Arbeit, Familie, Erziehung, Hobbies, geistige und physische Auszeiten macht das Ganze erst stimmig und spannend. Mein Konzept lautet: Struktur, Struktur und Struktur. Um flexibel auf unvorhersehbare Ereignisse von außen zu reagieren, braucht es zudem ein hohes Maß an Toleranz und Flexibilität. Was am meisten Zeit frisst, sind wieder- kehrende und unstrukturierte Vorgänge. Zu allem Überfluss sind die dann meist auch noch nervig. Mein bestes Werkzeug sind handgeschriebene Zettel und Micro- soft Outlook. Alle Termine und Notizen werden verschriftlicht. Sonst könnte ich die Menge eines Arbeitstages nicht bewältigen. Denn meine Arbeitszeit begrenzt sich nicht auf 9 Stunden pro Tag von Montag bis Freitag. Als Unternehmer bin ich – zumindest geistig – immer im Dienst.“
Ulrich Prediger, Gründer und Geschäftsführer von JobRad
„Wie die meisten Gründer, habe ich bei JobRad anfangs fast alles selbst gemacht – Vertrieb, Recruiting, IT Projekte. Zeit auf die wichtigsten Themen zu setzen, war dabei eine ständige Herausforderung, und vieles habe ich mit in den Feierabend genommen. Heute hat unser Unternehmen über 500 Beschäftigte und ich habe gelernt, klare Prioritäten zu setzen: An erster Stelle steht meine Familie, dann kommen JobRad und meine verkehrspolitische Arbeit. Was mir dabei hilft, ist Vertrauen. Ich sehe mich als Allrounder, der Impulse setzt und Ideen mit einem wachsenden Netzwerk in die Welt trägt. Weil ich weiß, dass es für die Umsetzung häufig geeignetere Spezialisten gibt, gebe ich diese Auf- gaben gern und vertrauensvoll ab. Dieses Prinzip macht auch das Arbeiten bei JobRad aus. Dass Zeitmanagement aber nicht nur eine Frage der Haltung ist, ist klar: Ich nutze die technischen Möglichkeiten voll aus, um von überall Zugriff auf meinen Kalender und meine Bibliothek zu haben. Dadurch arbeite und lerne ich auch unterwegs, häufig sogar auf dem Rad.“
Thorsten Radensleben, Vorstandsvorsitzender von Badenova
„Nur mit richtiger Prioritätensetzung fühlt man sich nicht gehetzt oder dem Diktat der Zeit unterworfen und ist am Ende des Arbeitstages auch zufrieden mit seinem Geleisteten. Mein Kalender wird von meiner Assistenz gepflegt, ich bin also nur bedingt Herr über meine Zeit. Heilige Zeiten gibt es für mich dabei nicht: Wenn etwas wirklich wichtig ist, kommt es auf meiner Prioritätenliste ganz nach oben, weniger Dringendes muss warten. Wenn sich ein Mitarbeiter mit einem persönlichen Thema an mich wendet, nehme ich mir die Zeit. Ohne sich fürs Führen Zeit zu nehmen, kann man nicht erfolgreich Teams oder Unternehmen managen. Wichtig ist es auch, delegieren zu können. Das gehört ebenso zum Zeitmanagement, Führen bedeutet abgeben und dafür braucht es Vertrauen. Die Corona-Pandemie hat auch zu einer Zeitersparnis durch wegfallende Wege geführt, da vieles online stattfindet. Das macht manches einfacher, anderes aber auch schwieriger. Zeitnot in Stress- und Krisensituationen macht einem natürlich immer besonders zu schaffen, doch gerade dann ist es wichtig, sich Zeit zum Innehalten zu nehmen und die Prioritäten neu zu sortieren. In solchen Situationen gilt oft: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“
Katharina Ganter-Fraschetti, Geschäftsführerin der Ganter Brauerei
„Das Thema Zeitmanagement ist bei mir eine komplexe Angelegenheit. Ich habe meine Zeit schon immer eingeteilt in sogenannte Freiburger und Florentiner Zeiten. Dort lebt mein Mann und wenn ich in Italien bin, arbeite aus dem Homeoffice und fahre zu unseren italienischen Kunden. Weil ich für den Export verantwortlich bin, bin ich normalerweise auch viel im Ausland unterwegs. Mein Zeitmanagement war damit schon wegen der Orte vorgegeben. Corona hat auch mich da natürlich aus dem Rhythmus gebracht. Ich bin gespannt, was sich für die Zukunft bewährt, wenn ich zum Beispiel an Zoom- und Telefonmeetings denke, die ja durchaus Zeitersparnis mit sich bringen, vielleicht wird das ja zu einer neuen Gewohnheit. Abgesehen davon ist für mich der klassische Kalender inklusive Bleistift noch sehr wichtig: Darin sehe ich die Tage, Wochen und Monate klarer vor mir und trage Termine händisch ein. Ich gehöre also eindeutig noch der „alten“ analogen Generation an und möchte selbst über meine Zeit bestimmen. Stünden die Termine nur im Outlook-Kalender, hätte ich das Gefühl, dass die Zeit über mich bestimmt. Zudem versuche ich immer, die nicht so angenehmen Themen als erste zu bearbeiten, damit ich den Kopf frei habe für den restlichen Tag.“
Raimund Föhrenbacher, Geschäftsführer der Testo Industrial Services GmbH
„Zeit haben wir alle gleich viel. Es kommt darauf an, wie wir sie optimal nutzen und wie wir uns selbst organisieren. Priorisierung ist die goldene Regel. Für eine gute Priorisierung sind für mich nicht nur verschiedene IT-Tools essentiell, sondern auch die Anwendung des Eisenhower-Prinzips: Die Unterteilung von Aufgaben in wichtig, unwichtig, dringend und nicht dringend ist sehr entscheidend. Abgeleitet in diese Einordnung entscheide ich, ob Aufgaben delegiert werden oder wann die Umsetzung stattfindet. Und nicht zuletzt – auf die Effizienz achten. Meine Erfahrung zeigt, dass persönliche Gespräche in der Regel schneller zum Ziel führen als E-Mails. Letztendlich bin ich überzeugt: Ohne Fleiß kein Preis. Wer meint, ohne entsprechenden Einsatz Großes zu erreichen, der wird schnell merken, dass dies nicht funktioniert. Gleichzeitig kommt gerade in diesen Zeiten dem Thema Achtsamkeit eine besondere Bedeutung zu. Denn eine gute Work-Life-Balance garantiert die Produktivität und den Erfolg.“
Jörn Rickert, CEO und Gründer von CorTec
„Als Geschäftsführer eines wachsenden Unternehmens in der Medizintechnik ist ein gutes Zeitmanagement besonders wichtig. Neben einem strukturierten Terminkalender und effizienten Meetings mit meinem Team nutze ich persönlich am liebsten OneNote, um den Überblick zu behalten. Als Vater von drei Kindern bin ich natürlich auch privat momentan besonders eingespannt. Durch flexible Arbeitszeiten ist der Spagat zwischen CorTec und Homeschooling möglich. Eine goldene Regel für Zeitmanagement aufzustellen ist schwer und natürlich immer individuell: ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ansprechbarkeit und fixierten Zeitblöcken zur Arbeit an Projekten ist für mich die Lösung. Besonders während Corona muss ich mich auch kurzfristig mit meinem Team austauschen können. Dazu nutzen wir wöchentliche Termine. Gleichzeitig halte ich mir regelmäßig Zeitfenster frei, um auch kurzfristig Raum für Abstimmungen mit Mitarbeiter*innen schaffen zu können.“
Diese Umfrage erschien zuerst in der Printausgabe vom März 2021. Hier geht’s zum Abo.