Stephan Mayer, Geschäftsführer beim Freiburger Generatoren-Hersteller Trumpf Hüttinger, im Interview über einen intensiven Turnaround und die weiteren Aussichten. Über die Suche nach Fachkräften am Standort Freiburg – und seinen seit kurzem feststehenden Weggang.
Netzwerk südbaden: Im vergangenen Frühjahr hatten Sie schlechte Nachrichten für den Standort Freiburg, jetzt präsentiert sich alles komplett anders, was die Situation im Unternehmen angeht. Wenn Sie zurückblicken, was hat sich hier in 12 Monaten getan?
Stephan Mayer: Vor etwa einem Jahr haben wir eine Restrukturierung verkündet. Zu dieser Zeit hatten wir negative Monatsergebnisse und einen Umsatzrückgang wie zuletzt vor acht Jahren. Bis zu 50 Mitarbeiter mussten gehen. Das war auch insofern schmerzhaft, weil es unmittelbar nach Beginn meiner Zeit hier stattfand, im Sommer 2015 hatte ich angefangen. In den letzten 12 Monaten hat sich dann alles massiv gedreht, wir haben einen deutlichen Wachstumskurs in den Kernmärkten Halbleiter, Solar, Displayanwendungen und auch bei den internen Belieferungen von Trumpf. Auf der einen Seite haben wir im Vertrieb und in der Entwicklung Gas gegeben. Auf der anderen Seite haben wir innerhalb des Unternehmens Trumpf versucht, zusätzliche Arbeit zu bekommen: Produkte hierher zu verlagern, Wertschöpfung zu vertiefen und inzusourcen. Die meisten Dinge, die wir angepackt haben, haben kurioserweise funktioniert: Dieses Jahr liegt der Umsatz um 60 bis 70 Prozent über dem Vorjahr. Dazu trug extern auch ein sehr starkes Wachstum unserer Kernmärkte bei. Dass die Auftragslage schon kurz danach wieder so gut war, zeigt die hohe Volatilität in unserem Geschäft, die leider weiterhin besteht.
netzwerk südbaden: Wie sind Sie mit Einsparungen in Entwicklung und Produktion vorgegangen? Sie mussten ja auch neue Produkte für die Zukunft ins Auge fassen.
Mayer: In den direkten Produktionsbereichen wurden nur wenige Stellen abgebaut, da wir ein sehr flexibles Produktionssystem haben, welches dem Umsatzrückgang bereits gut gefolgt war. Jetzt haben wir dort das größte Wachstum, welches wir aber wiederum aus demselben Grund nun gut stemmen können. In der Entwicklung haben wir dagegen in der Tat etwas abgebaut, aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir deshalb große potenzielle Produkte oder Projekte nicht stemmen konnten. Wir hatten zuvor eine Entwicklungsquote von fast 20 Prozent des Umsatzes und das war nicht mehr gesund. Das Gute daran war, dass dadurch bereits viele neue Produkte auf dem Weg waren, die wir in 2016 auf den Markt bringen konnten. Initiiert wurden sie noch von meinem Vorgänger, der durchaus einige Entwicklungsprojekte in die richtige Richtung entschieden hatte.
netzwerk südbaden: Was waren die größten Einsparungen und Veränderungen?
Mayer: Neben der Produktion sicherlich vor allem auch alle indirekten Bereiche. Wir haben genau hingeschaut, wie viele Kapazitäten wir wirklich brauchen, gibt es Dinge, die man effizienter machen kann? Und wir haben in den Vertrieb hinein geblickt, die Struktur dort angepasst und viele neue Regeln und Strukturen eingeführt von der Preisgestaltung bis hin zum Vertriebstraining. Stichwort value-based-selling: dass wir nicht einfach nur versuchen, den Preis im Wettbewerb zu unterbieten, sondern dem Kunden zu erklären, warum unsere Produkte besser sind für seine Prozesse und trotz höherer Investitionen die Kosten über den Lebenszyklus senken.
netzwerk südbaden: Was für Hersteller aus unserer Region gar nicht mehr anders geht, oder?
Mayer: Genau, wir konkurrieren mit Firmen, die in China produzieren oder anderen Orten auf der ganzen Welt, deshalb müssen wir unsere Performance verkaufen und da sind wir besser geworden. Es gibt Branchen wie im Displav- und im Photovoltaik-Bereich, da haben wir aktuell einen sehr sehr hohen Marktanteil, das sind wirkliche Erfolge.
netzwerk südbaden: Kann ein Wachstum von 60 bis 70 Prozent nachhaltig sein, droht danach wieder ein Minus? Oder sind Marktanteile wie die oben genannten erst einmal die Sicherheit, dass es anhält?
Mayer: Viele unserer Märkte arbeiten in Projekten. Und wenn ein großes Projekt auf der Agenda steht, dann hat man gute Chancen, einen Teil dieses Projektes abzubekommen. In den letzten 12 Monaten hatten wir tatsächlich eine Zeit, in der sehr viele neue Projekte weltweit angelaufen sind. Insofern war bereits mit einem gewissen Anteil daran ein schönes Geschäft möglich. Leider unterliegen unsere Branchen hohen Schwankungen. Somit kann es schnell passieren, dass es wieder Einbrüche gibt, mit denen wir rechnen müssen. Ich denke aber, dass wir in den letzten Jahren ein wenig robuster geworden sind, da unsere neuen Produkte uns in vielen Gebieten zum Technologieführer machen: Das hat mit der Genauigkeit der Generatoren zu tun, mit ihrer Energieeffizienz und mit ihren Zusatzfunktionen. Und wir verstehen, was die Kunden brauchen und versuchen mit sehr hohem persönlichen Engagement, dies zu erfüllen. Man kennt uns, wir haben eine starke Marke. Darüber hinaus hilft uns das interne Geschäft mit Trumpf. Hier sind die Schwankungen nicht ganz so stark und man kann vertrauensvoll als Team Probleme lösen.
netzwerk südbaden: Inwieweit setzt sich dabei die Qualität und das Made-in-Germany durch?
Mayer: Viele Kunden sagen, dass sie bereit sind, ein paar (wenige) Prozentpunkte mehr zu bezahlen aufgrund der Qualität, aber eben nicht beliebig. Wir haben in Freiburg einen teuren Standort, da sind wir relativ schnell bei mehr als fünf Prozent Mehrkosten. Und das Risiko der Zukunft ist durchaus der Protektionismus weltweit, nicht nur in den USA, auch in Europa. Deutschland hat einen guten Namen mit Made-in-Germany, aber wir spüren schon, dass wir im amerikanischen Markt nicht bevorzugt werden, wenn unser Hauptwettbewerber Amerikaner ist. Für uns in der Elektronik-Branche ist das ein Thema, auch wenn vieles in Asien produziert wird.
netzwerk südbaden: Wenn Sie zu Meetings in die USA reisen, spüren Sie diesen Umschwung seit der Wahl ganz unmittelbar?
Mayer: Als Gesamtunternehmen spüren wir, dass die Umsatzzahlen in den USA hochgehen, beispielsweise bei den Werkzeugmaschinen. Das liegt sicherlich daran, dass vermehrt Firmen in den USA wieder anfangen zu investieren im eigenen Land. Damit werden einheimische Produzenten von Produktionsmitteln für die USA auch wieder relevanter. In einer Verhandlung sagt allerdings niemand offen: Ihr seid günstig und Ihr habt die beste Qualität, aber wir nehmen Euren Wettbewerber, weil der aus dem eigenen Land stammt.
netzwerk südbaden: Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Aussichten nach den erfolgreichen 12 Monaten für die nächsten 12 ein?
Mayer: Wir sind gut positioniert bei den Produkten, wir sind gut positioniert durch unsere angepasste Struktur und unsere Flexibilität. Wir haben einen vertrauensvollen, guten Namen. Um ein Beispiel zu nennen, das dieses Jahr stark geholfen hat: die Modernisierung von Displays, von den bisherigen LED- auf die OLED-Displays, bessere Auflösungen, höhere Energieeffizienz usw. Diese Welle, von der wir reden, sorgt gerade für sehr viele neue Installationen und wird noch eine Weile andauern, bis die neue Technologie vollständig und global etabliert ist. Für das kommende Jahr rechnen wir damit, den hohen Umsatz von diesem Jahr halten zu können, womit man nach 60 bis 70 Prozent Wachstum erst einmal zufrieden sein sollte.
netzwerk südbaden: Das bedeutet, dass Sie an einem Punkt sind, an dem Sie auch in Freiburg wieder Personal einstellen?
Mayer: Ja. Wir laufen momentan bereits wieder mit 30 bis 40 Leasingkräften, von denen wir einige gern übernehmen wollen. Und alleine in der Produktion haben wir weitere 15 Stellen offen, die wir besetzen wollen. Wir trauen uns jetzt auch wieder zu, Stammbelegschaft aufzubauen. Auf die langfristigen Zeitkonten werden gerade wieder viele Überstunden gebucht.
netzwerk südbaden: Gesucht ist hier der klassische Facharbeiter oder?
Mayer: Wir suchen Facharbeiter für Entwicklung, Montage und Inbetriebnahme unserer Elektronikprodukte.
netzwerk südbaden: Hätten Sie wie Ihr Nachbar Stryker überhaupt noch Platz für eine Erweiterung auf dem eigenen Gelände? Und wie sehen Sie den Standort Südbaden insgesamt für die Industrie? Schwierig oder gar nicht mal so schlecht?
Mayer: Fangen wir damit an: Trumpf Hüttinger hätte in Freiburg noch genügend Platz zum Wachsen, es gibt noch etwa 50.000 Quadratmeter, die uns gehören. Schwierig wird es eher vom Personal her. So schön der Standort von der Umgebung ist: man ist nicht unbedingt der attraktivste Arbeitgeber für Spezialarbeitskräfte im Bereich Elektronik. Da gibt es andere Ballungszen-tren, wo die jungen Ingenieure, Elektroniker, Hochfrequenz-Techniker sich eher wohlfühlen, in der Nähe von Unis, die sich auf diese Themen spezialisiert haben.
netzwerk südbaden: Da reden wir jetzt über Stuttgart?
Mayer: Stuttgart, Aachen, Berlin und weitere. Obwohl viele die Lebensqualität unterschätzen, die wir hier haben. Freiburg ist eine größere Stadt, aber auch noch klein genug, dass man nicht darin versinkt.
netzwerk südbaden: Wie können Sie mit Lebensqualität punkten?
Mayer: Leute, die von hier stammen, fühlen sich von der Lebensqualität her sehr wohl – vielleicht sogar zu wohl… Leute, die hierher kommen, auch. Aber jemanden davon zu überzeugen, hierher zu kommen, ist schwierig. Denn wir haben wenig Industrieunternehmen und können nicht mit Namen wie Bosch, Daimler oder Porsche begeistern. Die Entscheidung nach Freiburg zu kommen, ist meistens eine Entscheidung für eine kleine Auswahl von mittelständischen Unternehmen. Da tun sich junge Leute schwer, sich niederzulassen, wenn es beim ersten Job schief geht, gibt es wenig Alternativen. Als Unternehmer stellt sich natürlich die Frage der Wettbewerbsfähigkeit: Unser polnischer Standort in Warschau ist beispielsweise direkt neben der Warschauer Uni, die bekannt ist für Elektronik-Kompetenz. Und wir kalkulieren mit rund einem Drittel der Kosten für ausgebildete Fachkräfte.
netzwerk südbaden: … Win-Win, vor allem, wenn man die Kosten bedenkt …
Mayer: Ja, es ist schon eine Herausforderung für einen Elektronik-Standort in Freiburg, da mithalten zu können. Trotzdem bin ich davon überzeugt: Wenn man sich anstrengt und Knowhow aufbaut, kann man fast überall auf der Welt erfolgreich sein. Wir haben auch Wettbewerber, die kommen aus der Schweiz. Sicherlich erleben sie noch größere Standortkostenprobleme als wir und trotzdem behaupten sie sich am Markt. Das große Potenzial liegt für uns darin, dass die Welt immer komplexer wird, auch für unsere Kunden. Und dass wir es schaffen können, die Komplexität der Kunden zu lösen. Wir verkaufen ihnen nicht nur ein Produkt aus dem Katalog, sondern die Lösung ihres Problems. Es ist eine Chance für Freiburg, in Kundenlösungen zu denken. Dafür brauchen wir Flexibilität. Wenn ein Kunde aus Südkorea anruft, kann es sein, dass wir zwei Stunden später ins Auto steigen müssen und zum Flughafen fahren.
netzwerk südbaden: Sie sind Schwabe, sind Sie bei der südbadischen Mentalität und ihrer kompromisslosen Lebensqualität hier hin und wieder vor Wände gestoßen?
Mayer: (Lacht:) Ich tue mich schwer damit, hierzu etwas Konkretes zu sagen, aber ich vergleiche das gern mit dem Volleyballspielen: Mir ist es lieber, zwei springen hoch, um den Ball zu erwischen. Vielleicht ist man hier manchmal ein wenig abwartend, solange der Ball nicht wirklich direkt auf einen zufliegt. Natürlich ist es effizienter, wenn der Richtige hochspringt statt beide – aber Hauptsache, der Ball bleibt weiter in der Luft.
netzwerk südbaden: Anfang des Monats wurde verkündet, dass Sie im Sommer wieder zurück gehen nach Ditzingen, um in die Geschäftsführung der Trumpf Werkzeugmaschinen einzutreten.Was halten Sie von der Redensart, dass man gehen soll, wenn es am Schönsten ist?
Mayer: Sie ist wohl sehr zutreffend…Wir haben hier stabile Strukturen geschaffen und ein sehr gutes Team. Wir haben gut gefüllte Auftragsbücher und solange die Konjunktur so weiter geht und wir uns weiter anstrengen, können wir auch weiterhin erfolgreich sein. Es gibt bereits eine Menge Innovationen, die auf dem Weg sind.
netzwerk südbaden: Hand aufs Herz: Verlassen Sie Freiburg auch mit einem weinenden Auge? Welche Erinnerung nehmen Sie gern mit?
Mayer: Ein wesentlicher Eindruck, den ich von Freiburg mitnehme, sind sicherlich die vielen Fahrradfahrer und das schöne Wetter. Ich bin oft abends an der Dreisam gejoggt – das wird mir fehlen. Aber eben auch die gute Zusammenarbeit in der sehr intensiven Zeit des Turnarounds.