Zum emissionsfreien Güterverkehr ist es noch weit. Doch die ersten E-Trucks fahren längst. Damit es mehr werden, gibt es beim Ausbau der Ladeinfrastruktur und Stromnetze noch viel zu tun. Eine Bestandsaufnahme beim Businesstalk von Dachser und Netzwerk Südbaden
Text: Christine Weis | Fotos: Santiago Fanego
Miniatur-Lkws mit frischen Blumen und Blattwerk stehen auf den Bistrotischen im Eventzelt beim Businesstalk Mitte Mai auf dem Gelände des Dachser Logistikzentrums in Eschbach. Die Deko ist hübsch und weist gleichzeitig auf das Thema des von Chefredakteurin Kathrin Ermert moderierten Netzwerktalks hin: Der Güterverkehr soll grüner werden – umweltverträglicher, emissionsarm und klimafreundlich. Wie? Das können die Gäste an der Flotte auf dem Weg zum Zelt sehen. Dort sind die E-Fahrzeuge aufgereiht, vom Lastenbike über den 7,5- und 26-Tonner bis zum Truck mit 40 Tonnen. Wer will, kann sich die Technik erklären lassen und ins Führerhaus steigen. Einige der Gäste nutzen diese Gelegenheit an dem Abend. Aktuell hat Dachser in Eschbach rund ein Dutzend Lastenstromer plus zehn Elektroautos. Bis Ende 2025 kommen noch einmal fünf E-Lkws dazu, berichtet Standortleiter Michael Gaudlitz: zwei vom Hersteller MAN mit einer Reichweite von rund 500 Kilometern und drei Sattelzugmaschinen der Marke Eactros von Mercedes mit etwa 400 Kilometern Reichweite. „Unser Ziel ist ein 24-Stunden-Betrieb“, sagt Gaudlitz, „denn, wenn ein Lkw nicht fährt, kostet er Geld.“ Damit spricht er die zentrale Herausforderung beim CO2-neutralen Verteilerverkehr mit Stromern an: die Ladeinfrastruktur. Die Batterien der neusten Brummergeneration haben eine Leistung bis zu 540 Kilowattstunden (kWh). Etwa eine Stunde dauert aktuell das Laden von 100 kWh.
„Wir laden bei uns auf dem Betriebshof und bauen dafür eine eigene Ladestruktur aus.“
Michael Gaudlitz, DAchser
Die öffentliche Lkw-Ladeinfrastruktur soll laut EU bis 2030 ausgebaut werden. Mindestens alle 60 Kilometer entlang der wichtigsten Autobahnen seien Ladestationen vorgesehen, doch auf diese Vorgabe wolle man sich bei Dachser nicht verlassen. „Wir laden bei uns auf dem Betriebshof und bauen dafür eine eigene Ladestruktur aus“, sagt Gaudlitz und zählt auf, was dafür zu tun ist: Investitionen in Batteriespeicher sowie Lastmanagementsoftware und vor allem mehr Strom und eine Trafostation für 2500 kW bis Ende 2024 (aktueller Stand: 670 kW).
Mehr Strom braucht leistungsstärkere Netze, deshalb habe sich Dachser schon frühzeitig mit Badenova-Netze in Verbindung gesetzt. Die Tochter des regionalen Energieversorgers ist für Betrieb, Planung, Ausbau und Instandhaltung der Stromnetze verantwortlich. „In gewisser Weise sind wir auch eine Spedition und transportieren mit Strom die leichteste Ware in Lichtgeschwindigkeit“, sagt Jürgen Singler von Badenova-Netze zu Beginn seines Vortrags. Der Diplomingenieur sei selbst gespannt, wie die Ausbauziele des Landesumweltministeriums von über 10.000 Ladepunkten, darunter auch viele für Lkws, an Autobahnen bis 2035 realisiert werden sollen. Er fragt sich, woher die benötigte Strommenge kommen soll. Wichtiger als Prognosen sei für ihn die praktische Umsetzung. Passend dazu präsentiert er eine Folie mit einem Fußballfeld: „Entscheidend ist, was auf dem Platz gespielt wird.“ Die Stromnetze müssen ertüchtigt werden, dafür brauche es mehr Umschaltwerke, Freileitungen und Erdkabel. Beim Stichwort Umschaltwerke spricht Singler den Gewerbepark-Chef Markus Riesterer, der im Publikum sitzt, augenzwinkernd an: „Für Umschaltwerke benötigen wir Flächen, etwa in Gewerbegebieten.“ Eine weitere Hürde beim Ausbau der Ladeinfrastruktur sei die Bürokratie. Die Genehmigungsverfahren dauerten sehr lange. Singler rechnet es am Beispiel eines Umschaltwerkes vor: Von der Planung bis zur Fertigstellung vergehen mindestens sechs Jahre.
„In gewisser Weise sind wir auch eine Spedition und transportieren mit Strom die leichteste Ware in Lichtgeschwindigkeit.“
Jürgen Singler, Badenova-Netze
Nach EU-Richtlinien soll sich der CO2-Ausstoß des Schwerlastverkehrs bis 2040 im Vergleich zu 2019 um 90 Prozent reduzieren. „Das bedeutet das Ende des Verbrenners und darauf müssen wir uns alle einstellen“, sagt Andre Kranke. Er leitet die Abteilung Corporate Research & Development am Hauptsitz von Dachser in Kempten. Er ist eigens aus dem Allgäu angereist, wobei er häufig im Breisgau ist, denn die Niederlassung in Eschbach ist neben Hamburg und Malsch bei Karlsruhe einer von Dachsers E-Mobility-Standorten, an dem das Logistikunternehmen klimafreundliche Technologien und Abläufe sowie intelligentes Strom- und Lastmanagement testet. „Wir sind auf der Reise zu Null-Treibhausgas-Emissionen“, sagt Kranke. Er gibt eine kurze Einführung in das Familienunternehmen mit rund 400 Filialen weltweit. „Wir sind kein Paketdienst, die Europalette ist unser Maß aller Dinge.“ In Deutschland sei Dachser führend im Bereich Industrie- und Lebensmittelgüter. 2023 lag der Umsatz nach Konzernangaben bei rund 7 Milliarden Euro bei über 77 Millionen Sendungen.
„Wir sind kein Paketdienst, die Europalette ist unser Maß aller Dinge.“
Andre Kranke, Dachser
Dachser baue seine emissionsfreie Flotte, dazu zählen auch wasserstoffbetriebene Lkws etwa in Magdeburg und Leipzig, sukzessive aus. Bis Ende 2025 werden 24 Städte emissionsfrei beliefert, berichtet Kranke. Das Freiburger Stadtgebiet werde bereits seit 2020 ausschließlich klimaneutral versorgt. Man setze zudem große Hoffnung in den Batterieausbau; die Lithium-Eisenphosphat-Brennstoffzelle mit höherer Leistung und langer Lebensdauer gebe dazu Anlass. Das unterstreicht auch Thomas Wolf, Verkaufsleiter Nutzfahrzeuge bei der Kestenholz GmbH, bei der regen Diskussion. Er wünsche sich mehr Transparenz seitens des Netzbetreibers, etwa eine Karte für die Ladeleistungen von Gewerbegebieten. Die kann ihm Jürgen Singler nicht bieten: „Die Stromversorgung gehört in Deutschland zur kritischen Infrastruktur.“ Der Vertreter von Badenova-Netze erinnert in dem Zusammenhang an den Anschlag auf eine Stromleitung beim Tesla-Werk in Brandenburg Anfang März.