Dirk Giesslers EMV aus Bahlingen ist das einzige Unternehmen, das spezielle Module für die Dämmung der Hausfassade baut. Sie helfen, Fehler auf dem Bau zu vermeiden.
VON SUSANNE MAERZ
Wenn auf der Baustelle die verschiedenen Gewerke zusammenarbeiten, die einen Rollladenkästen einsetzen, die anderen Fenster samt dazugehöriger Fensterkeil- oder Laibungsplatten, ist eine aufwändige Koordination nötig. Fehler wie Risse im Putz können entstehen, durch die Wasser eintreten kann. Dirk Giessler, Vorstand und Gründer von EMV, hat damit Erfahrung. Der 46-Jährige arbeitete 17 Jahre lang als Stuckateurmeister und Gebäudeenergieberater im Vertrieb eines Herstellers sogenannter Wärmedämmverbundsysteme. „Ich habe täglich gesehen, wie es an den Schnittstellen der verschiedenen Gewerke klemmt, vor allem rund ums Fenster.“ Hier setzte Giessler mit seinem Unternehmen an.
In den Produktionshallen in Bahlingen stapeln sich Dämmplatten verschiedener Hersteller. An mehreren Stationen bekleben Mitarbeiter diese mit Folien, schneiden sie zu und fertigen daraus Module für die Fassaden von Massiv-, Holz- und Fertighäusern. Wofür genau sie verwendet werden, zeigt Giessler in der Ausstellung des Unternehmens: Sie zeigt Fassadenmodelle samt Fenstern mit und ohne Rollladenkästen, Module mit Klingelanlagen oder mit Nistkästen. EMV liefert aber nicht die Fenster und Rollladenkästen, sondern das Drumherum. Stets mit den passenden Aussparungen und Anschlussmöglichkeiten – jeweils gefertigt nach Kundenwunsch. Die Fassadenbauer setzen auf der Baustelle oder in Fertighausproduktionen schließlich die verschiedenen Module in die Dämmung der Fassaden ein, also zwischen Mauerwerk oder Holzkonstruktion und Putz. Und die Fensterbauer beziehungsweise anderen Gewerke stecken ihre Elemente in die dafür vorgesehenen Montagepunkte. „Wir machen Lego für die Baustelle“, sagt Dirk Giessler. „Und wir verhindern Bauschäden, indem wir versuchen, Schnittstellen von Gewerken mit Produkten zu kompensieren.“
Banken waren skeptisch
In der Garage seines Vaters in Eichstetten kreierte er nach Feierabend und an Wochenenden sein erstes Produkt – eine Laibungsplatte aus Gipskarton, mit der die Öffnungen zwischen Fenster und Fassade abgedichtet werden können. 2010 machte er den Neben- zum Hauptberuf und gründete die EMV AG mit drei weiteren Mitarbeitenden. Darunter seine Assistentin und Prokuristin Silke Müller sowie sein Vater, der eigentlich schon im Ruhestand war.
Gleich als AG zu starten, ist eher ungewöhnlich – für Giessler war es optimal: Zum einen konnte er so Startkapital einwerben. Denn die Banken hätten nicht verstanden, warum die Dämmstoff – und Putzhersteller die Module nicht selbst produzieren und sich dafür eine eigene Firma lohne. Zum anderen bringt ihm die Rechtsform Vorteile seinen Kunden gegenüber. „So ist die Existenz des Unternehmens gesichert, falls mir etwas passiert“, sagt er. Dirk Giessler arbeitet für die großen industriellen Hersteller der Branche – und die verlangen absolute Verlässlichkeit. So wie auch Automobilzulieferer agiert EMV als sogenannter Erstausrüster.
Im Namen der anderen
Auf den Produkten, die auf der Baustelle verbaut werden, steht daher nie der Name EMV, sondern der desjenigen Unternehmens, dessen Dämmplatten EMV verwendet. „Wir beliefern die komplette Fassadenindustrie in fast ganz Europa, ohne dass man das weiß“, sagt Giessler. Den Marktführer Sto ebenso wie DAW mit der Marke Caparol, Knauf, Brillux und das auf Holz spezialisierte Unternehmen Gutex.
Beispiel Gutex: Für den Hersteller von Dämmsystemen aus Holzfaser mit Sitz in Waldshut-Tiengen fertigt EMV Komponenten für Fensteranschlusssysteme, konfektioniert sie und liefert sie an die Kunden. „Um solche eher kleinformatigen Bauteile in geringerer, dafür objektbezogen angepasster Ausführung herzustellen, ist Gutex anlagentechnisch nicht aufgestellt, hier kommt EMV ins Spiel“, sagt Thorsten Siemens, bei Gutex verantwortlich für das technisches Projektmanagement. Gutex sei auf größere Formate spezialisiert und verfüge auch nicht über die Spezialteile, die für die Anschlusssysteme benötigt werden. Siemens ist voll des Lobes über EMV: Das Unternehmen sei „ein zuverlässiger, solider Geschäftspartner, sehr innovativ, flexibel und lösungsorientiert, wenn es darum geht, neue Produkte zu entwickeln beziehungsweise auf einzelne Kunden und Projekte zugeschnittene Sonderlösungen bereitzustellen“.
Ob die Produkte der Bahlinger tatsächlich zum Einsatz kommen, hängt indes nicht von den Dämmplattenherstellern ab, sondern von den jeweiligen Architekten und Planern. Die Tendenz ist seit Jahren steigend. Das zeigt die Entwicklung von Umsatz- und Beschäftigtenzahl: Heute arbeiten 40 Männer und Frauen bei Giesslers Unternehmen in Bahlingen. Der Umsatz der EMV AG ist von fünf Millionen Euro im Jahr 2018 auf gut acht Millionen Euro 2021 gewachsen. Tendenz weiter steigend. „Wir haben enormes Wachstumspotenzial“, sagt Giessler. Um dafür gerüstet zu sein, plant er derzeit einen Neubau im Ort. Für rund 6,5 Millionen Euro soll eine moderne Produktionsstätte entstehen.
„Wir sind immer dem Trend voraus.“
Dirk Giessler, Vorstand EMV AG, Bahlingen
Auch Neuentwicklungen bringt EMV regelmäßig auf den Markt. Meist kooperiert Giessler dabei mit den Herstellern der Produkte, die in seine Module eingebaut werden können. Jüngst waren es Wandelemente mit eingebauten Photovoltaikmodulen und solche mit Hohlräumen, die mit Erde befüllt werden können, um so die Fassade zu begrünen und für besseres Klima zu sorgen. Noch sind beide eher selten an Häusern zu sehen. Giessler ist zuversichtlich, dass sich das ändert: „Es dauert immer zwei bis drei Jahre, bis Architekten und Planer unsere neuen Produkte kennen und sie auch verwenden“, sagt er. Selbstbewusst. „Wir sind immer dem Trend voraus.“