Sport Kiefer ist eines der ältesten familiengeführten Sportgeschäfte Freiburgs und als Natur- und Individualsport- Anbieter eine feste Größe in der Region. Die Pandemie hat dem Betrieb zugesetzt, Nerven und Geld gekostet. Die Familie gibt nicht auf, rackert sich ab, setzt auf Nachhaltigkeit, auf Qualität und den nächsten schneereichen Winter.
VON ANNA-LENA GRÖNER
Man merkt Geschäftsführer Tim Kiefer an, dass anstrengende Monate hinter ihm liegen. Er wirkt müde und erschöpft. Kein Wunder, bezeichnet er die aktuelle Corona-Krise doch als „die größte Krise, die wir in 70 Jahren Firmengeschichte bisher durchstehen mussten.“ Mutter Ellen Kiefer, die mit am Tisch sitzt, pflichtet dem bei.
Die sportliche Familie hat in den vergangenen eineinviertel Jahren viel Kraft und Nerven investiert, um den ständig neuen Maßnahmen nachzukommen und irgendwie weitermachen zu können. Auch wenn aktuell eine Art Nachholeffekt zu spüren sei und viele Kunden bewusst das Natur-Erlebnis und die aktive Erholung in der Region suchen, „kämpfen wir weiterhin mit den Nachwirkungen“, sagt der 49-jährige Geschäftsführer, der den Betrieb in dritter Generation leitet.
Schon Großvater Oskar Kiefer hatte im Zweiten Weltkrieg die Skier der Abfahrts-Ikone Christl Cranz präpariert. Nach dem Krieg eröffnete er sein eigenes Sportgeschäft in der Habsburgerstraße im Freiburger Norden. Sein Sohn Hansjörg gründete später aus der eigenen Ski-Karriere heraus ein Sportgeschäft, das maßgeblich über die Skischule groß und größer wurde (bis heute ein wichtiges Standbein des Unternehmens).
Erfahrung mit Ausnahmesituationen
Mehrmals zog Sport Kiefer innerhalb Freiburgs um. Seit 1983 existiert das Geschäft in der Schützenallee, wo sich heute die reine Verleih-Station befindet. 1999 musste der Standort aufgrund der Tunnelarbeiten für mehrere Jahre umziehen, daraus ergab sich der zweite Standort in der Schwarzwaldstraße, der seit 2010 mit einem Neubau ausgebaut wurde. Quasi aus einer Not heraus, hat sich das Unternehmen zuletzt wesentlich weiterentwickelt und ist gewachsen.
Mit Not- und Ausnahmesituationen kennt sich Familie Kiefer daher aus, doch die Ungewissheit und Planlosigkeit der aktuellen Lage habe man so noch nie erfahren. „Für den Einzelhandel und seine Mitarbeiter ist es eine Zerreißprobe: Spielball der Politik zu sein und sich im Wochenrhythmus auf neue Vorgaben und Einschränkungen einzustellen, die zum Teil kaum nachvollziehbar sind und keine wissenschaftliche Evidenz erkennen lassen, das zehrt extrem an den Nerven.“
Tim Kiefer nennt dabei vor allem die Situation über Weihnachten, als er sein Geschäft nicht öffnen und nicht einmal mehr bestellte Ware an einem Abholschalter im Freien an seine Kunden aushändigen durfte. „Während nebendran Menschen in langen Warteschlangen vor den Paketstationen ihre online bestellte Ware abholten.“ Das habe tiefe Spuren bei vielen Händlern hinterlassen und das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse nachhaltig beschädigt.
Sorge um die Mitarbeiter
Ebenso litt das Vertrauen der Mitarbeiter in die Branche, so Kiefer. Wie auch in der Hotellerie und der Gastronomie, ist die Zukunft des Einzelhandels für viele Angestellte zu unsicher geworden: wenig Einkommen durch Kurzarbeit und acht Stunden Maske tragen, haben bei vielen die Entscheidungen befeuert, neue berufliche Wege zu gehen. Diese Mitarbeiter kommen nicht mehr zurück, befürchtet Tim Kiefer.
Eine Stigmatisierung, die mit Geld gar nicht aufzuwiegen sei. Und auch Geld hat das Sportunternehmen verloren: durch die beiden Lockdowns fehlt etwa ein sechsstelliger Umsatzbetrag. Staatliche Unterstützung hat der Betrieb bisher nicht gesehen und wird es wohl auch nicht. Weil der Vorjahresumsatz 2019 durch einen schneearmen Winter so niedrig war, dass die zusätzlichen Umsatzrückgänge durch Corona, die für staatliche Hilfen notwendige Schwelle von 30 Prozent nicht überschritten hat.
„Dass auch bei wetter- und schneeabhängigen Betrieben ein einzelner Vorjahresmonat, statt der Durchschnitt der letzten Jahre zugrunde gelegt wird, ist kaum nachvollziehbar“, sagt Kiefer. „So wurden unsere unermüdlichen Versuche, allen Widrigkeiten zum Trotz, durch telefonischen Verkauf und Lieferungen Umsatz zu generieren, am Ende bestraft. Hätten wir uns weniger bemüht oder den Laden einfach geschlossen gehalten, wären wir unterm Strich wohl besser dran gewesen.“
Für sein Unternehmen würde es gut fünf bis zehn Jahre dauern, bis der Umsatzeinbruch von 20 bis 30 Prozent im Geschäftsjahr 2020 wieder ausgeglichen wäre. In einigen Produktbereichen wie dem Wintersport oder den Skikursen habe es sogar einen Einbruch um 60 bis 95 Prozent gegeben und das trotz einer fantastischen Schneelage von November bis April.
Anerkennung durch Kundentreue
Der Frust sitzt tief und dennoch kann der Geschäftsführer auch von schönen Ereignissen aus den vergangenen Monaten berichten. Von Kunden, die die Treue gehalten haben, trotz der erschwerten Bedingungen und vor allem ohne jeglichen Onlineshop. „Es gab kuriose Szenen: letztes Jahr im ersten Lockdown war fantastisches Wetter und es kamen Kunden, die Laufhosen und andere Ware an unserem Ausgabeschalter abgeholt und auf dem Parkplatz, hinter irgendwelchen Autos, anprobiert haben. Dieser Zuspruch hat uns emotional am Leben gehalten.“
Sogar eine ganz neue Käuferschicht hat das Sportunternehmen in den ansonsten wirtschaftlich so bitteren Wintermonaten dazugewonnen: „Langlauf war ein Riesenthema. Wir haben noch nie einen Zulauf an neuen und vor allem jüngeren Langlaufkunden erfahren, die, statt ins Fitnesstudio, raus auf die Loipen gegangen sind.“
Zuletzt überzeuge das Thema Nachhaltigkeit alte wie neue Kunden, so Kiefer. Sie wüssten die echte Beratung zu schätzen und die sich daraus ergebend lange Produktlebensdauer. Die Kiefers wissen, was sie verkaufen und was wirklich taugt, schließlich kommen alle selbst aus dem Profisport: Vater Hansjörg war einst Schwarzwald-Meister im Ski- und Tourenskifahren, Mutter Ellen ist eine ehemalige Volleyball Bundesliga-Spielerin und Sohn Tim spielte zehn Jahre Bundesliga-Basketball.
Die sportlichen Hobbylisten der Familienmitglieder sind lang und umfassen so gut wie jeden Sport, den man an der frischen Luft machen kann. Neben der Beratungskompetenz und der gelebten Sportleidenschaft sind vor allem der Verleih sowie der Werkstatt- und Reparaturservice große Themen, die für das Unternehmen Zukunft haben.
„Die Leute wollen nicht ihren Ski wegschmeißen und alles neu kaufen. Das Thema ‚sharing economy‘ wird weiter zunehmen. Das Nutzen von Leihartikeln und der An- und Verkauf von Gebrauchtware ist viel ressourcenschonender“, sagt Tim Kiefer. Sein Unternehmen sei darauf bestens vorbereitet.
Trotz Krise ist er sicher, dass Familienbetriebe Zukunft haben: „So bitter die vergangene Corona-Zeit auch war, so sehr hat sie gezeigt, dass die Kunden bewusster kaufen, auch lokal und regional. Solche persönlichen, inhabergeführten Geschäfte, in denen man die Leidenschaft spürt und hohe Beratungsqualität bekommt, werden auch – oder gerade – neben den großen Onlinehändlern eine Zukunft haben. Geschäfte, die sich nicht eindeutig positionieren, sondern irgendwo dazwischen ‚mitschwimmen‘, werden es schwer haben.“