Die Stadt ist voll, dennoch klagen manche Hotels über leere Betten. Heißt das, dass die Stadt Freiburg neue Eventkonzepte braucht? Wir haben bei den Akteuren aus Tourismus, Messe- und Veranstaltungsbranche nachgefragt.
VON JULIA DONÁTH-KNEER
Der Standort Freiburg bringt vieles mit, wovon andere Destinationen träumen. Zum einen die vielbeschworene Attraktivität der Stadt als solche und der Umgebung im Allgemeinen, aber auch die Offenheit der (jungen) Leute. Michael Richter, Inhaber von Namaste United, organisiert Yogafestivals in ganz Deutschland. Er sagt, das Einzugsgebiet für das Festival in Freiburg, das in diesem Jahr am 20. und 21. Mai stattfindet, sei deutlich größer als in anderen Städten. „Zum Yoga-Beachfestival in Hannover oder München kommen fast nur Leute aus der Stadt, in Freiburg sind es Teilnehmer von Stuttgart bis Basel“, so Richter, der sein Konzept auf die Zusammenarbeit mit lokalen Studios aufgebaut hat. Das ist die Idealvorstellung vieler Gewerbetreibender der Stadt: Events finden, die Menschen anziehen, und zwar nicht nur aus der Region, sondern darüber hinaus.
Aber klappt das denn? Kann zum Beispiel das Zeltmusikfestival (ZMF) mithalten mit großen Musikveranstaltungen anderer Städte, was die überregionale Strahlkraft angeht? „Nicht ganz“, sagen Patrick Graf-Mathias, Direktor des Hotel Mercure am Münster, und Christian Löffler, Chef des Novotel am Konzerthaus, fast wie aus einem Mund.
Problemkind Saisonalität
„Das sind wunderbare Veranstaltungen mit tollen Künstlern“, findet Graf-Mathias. „Es kommen aber überwiegend Gäste aus der Region, die kaum Übernachtungen benötigen.“ Das ärgert den Hotelier natürlich, er lebt schließlich davon, Auswärtige zu beherbergen. Genau wie sein Geschäftspartner Löffler. Er sagt: „In Freiburg fehlen Veranstaltungen, die eine Regelmäßigkeit mitbringen und fest im Jahresplan integriert sind.“ Graf-Mathias ergänzt: „Wir bieten viele schöne Sachen in der Stadt, die sind super für die Einheimischen und auch für Gäste, die sowieso da sind. Aber wir haben einen Mangel an Events, die eine so hohe Attraktivität mit sich bringen, dass Leute von außerhalb deswegen in die Stadt kommen möchten.“ Es gebe Ausnahmen wie das Tote-Hosen-Konzert im vergangenen Jahr. „Das Datum wurde bekannt gegeben, und schwupp, alle Hotels ausgebucht“, meint der Mercure-Chef.
„Im Sommer platzt Freiburg aus allen Nähten. Mitte Januar bis März und von Oktober bis zum Beginn des Weihnachtsmarktes ist aber Saure-Gurken-Zeit.“
patrick graf-mathias, direktor hotel mercure am münster
Highlight-Konzerte berühmter Bands sind kleine Peaks im Jahresverlauf, wichtiger wäre Kontinuität, was die Besucherzahlen angeht. Geschäftsreisende etwa wären in der Stadt vor allem in den „dunklen Monaten willkommen“, meinen die Hotel-Manager. Also dann, wenn es ohnehin wenige Touristen gibt. Denn obwohl sich die Übernachtungszahlen auf Rekordniveau bewegen (2,04 Millionen in 2022), verdichten sich die Probleme. Vereinfacht gesagt: „Wir haben absolute Peak-Zeiten in der Stadt“, meint Graf-Mathias. „Im Sommer platzt Freiburg aus allen Nähten. Mitte Januar bis März und von Oktober bis zum Beginn des Weihnachtsmarktes ist aber Saure-Gurken-Zeit.“
Das ist ungewöhnlich für eine Städtedestination und vor allem der Lage im Dreiländereck geschuldet. „Wir ticken anders als andere Großstädte“, erklärt der Mercure-Chef. Das lange Wochenende an Christi Himmelfahrt sei ein gutes Beispiel. Während in anderen Orten wie Mannheim, Frankfurt und Stuttgart nichts los ist, weil niemand Seminare oder Kongresse plant, sei in Freiburg alles ausgebucht. „Für den Brückentag kommen die Schweizer und die Franzosen ebenso wie Touristen aus dem ganzen Land. Und wenn mich dann noch ein Messeveranstalter anfragt, ob er ausgerechnet an diesem Wochenende 500 Zimmer bekommt, verstehe ich nicht, warum man das nicht entzerren kann“, so Graf-Mathias.
Neue Konzepte denken
Die starke Saisonalität ist nichts Neues in Freiburg und viele arbeiten seit Jahren an der Entzerrung. Ganz vorne mit dabei ist die FWTM (Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe). Geschäftsführerin Hanna Böhme erklärt: „Die Fortschreibung des Tourismuskonzepts, die wir unter anderen mit dem Tourismusbeirat erarbeiten, zielt auch darauf ab, den hohen saisonalen Schwankungen Rechnung zu tragen.“ Ganz wichtig sei aber, nicht weniger Veranstaltungen im Sommer zu planen, sondern mehr in der Nebensaison. „Wir wollen auch im Kongressbereich Anreize schaffen, mehrtägige Kongresse und Messen auszurichten und gezielt in die Monate zu legen, in denen nicht viel los ist.“ Das sei Praxis seit Jahren. „Es ist ja kein Zufall, dass die Plaza Culinaria im November stattfindet“, betont Böhme. „Außerdem haben wir in Freiburg einen Vorteil, den viele andere nicht haben: Bei uns kann man in der Regel schon im März Outdoor-Veranstaltungen planen – wie zum Beispiel den Freiburger Marathon, der bundesweit meist das Läuferjahr eröffnet.“
Es gehe darum, entweder Veranstaltungen zu verlegen, neue Konzepte zu entwickeln oder bestehende Formate größer zu denken. Während Ersteres schwierig ist – es hat ja einen Grund, warum die Sommermonate für Veranstalter attraktiver sind – gibt es dennoch viele interessante neue Ansätze. Insgesamt sind 14 größere Events geplant, die vor allem Leben in die Innenstadt holen sollen. Die im vergangenen Jahr erstmals durchgeführten Freiburg Fashion Days zum Beispiel werden 2023 als „Freiburg Fashion & Food Festival“ am 29. und 30. September stattfinden.
Münsterplatzkonzerte
„Vielleicht ist noch mehr drin in Freiburg, aber vielleicht ist das auch ein guter Ansatz zu sagen: Dann packen wir das an, entwickeln neue Ideen, probieren neue Konzepte aus“, sagt Marc Oßwald, Geschäftsführer von Vaddi Concerts. Das Unternehmen hat mit anderen Veranstaltern ein gemeinsames Großevent auf die Beine gestellt: die Münsterplatzkonzerte. Erstmals in diesem Jahr werden im Juni an fünf aufeinanderfolgenden Tagen (14. bis 18.06.) Konzerte am Freiburger Münsterplatz stattfinden. Dahinter stecken die Veranstalter Vaddi Concerts, Albert Konzerte, das Freiburger Barockorchester, Karoevents, das Sea You.
„Die Idee ist während der Pandemie entstanden“, erklärt Marc Oßwald. „Statt gegeneinander wollten wir miteinander arbeiten.“ Drei Jahre dauerten die Gespräche mit der Stadt, mit Gastronomen, mit den angrenzenden Händlern, dem Wochenmarkt. Von den logistischen Herausforderungen, die auf die Veranstalter zukommen, ganz zu schweigen. „Bei jedem Platz, der nicht für Veranstaltungen konzipiert wurde, müssen wir viel mehr improvisieren“, sagt Oßwald. „Wo kommt die Künstlergarderobe hin, wo stellen wir Toiletten auf? Wo fahren die Lkws rein – und wann? Der Wochenmarkt wird ja trotzdem stattfinden.“
Doch es lohnt sich. Die Location Freiburger Münsterplatz sei eine einmalige Chance. „Die Attraktivität des Platzes schlägt sich auf die Attraktivität des Programms durch“, meint Marc Oßwald. Es scheint genau das zu sein, was sich hier so viele wünschen: ein Event mit hoher Strahlkraft. Das Münsterplatzkonzept ist explizit mit ganz großem Einzugsbereich geplant. „Freiburg ist attraktiv, das wissen wir. Nichtsdestotrotz steht sie auch im Wettbewerb mit anderen Städten, wenn es darum geht, dass Auswärtige in die Stadt kommen“, betont Oßwald. „Deshalb: Natürlich muss auch das Programm überregional interessant sein, um der Umweg-Rentabilität zu entsprechen. Fünf Tage lang wird die Stadt voll sein. Das wird sich auch auf die Hotellerie und den Einzelhandel auswirken.“ Das Konzept ist fest auf drei Jahre geplant. Dann wird sich zeigen, ob es Früchte trägt.