Was macht ein Wintersportverein, wenn der Winter weniger wird? Ein Porträt der Skizunft Feldberg, die jüngst 100 Jahre alt geworden ist.
VON KATHRIN ERMERT
Weiß-braun gefleckt wie ein Kuhfell präsentiert sich der Seebuck Mitte März. Statt Sechsersesseln fahren schon Kabinen hoch zum Gipfel. Der Liftverbund hat vorzeitig auf Sommerbetrieb umgestellt. Die Skisaison endete früher als erhofft – es fehlte der Schnee. An nur 55 Tagen fuhren in der abgelaufenen Saison die Lifte am höchsten Schwarzwälder Berg. Just in den Weihnachts- und Fasnachtsferien mangelte es an Schnee.
Auch Stefan Rensing war im zurückliegenden Winter nur zwei Mal am Feldberg Skifahren, erzählt er auf dem kurzen Weg von der Bushaltestelle Feldberger Hof zum Opelhaus, dem Vereinsheim der Skizunft Feldberg (SZF). Das Haus, unter dessen spitzen Giebel 14 Zimmer insgesamt 36 Betten bieten, ist fast sein zweites Zuhause. Seit er sich erinnern kann, verbringt Rensing Zeit hier oben und hat hier natürlich auch Skifahren gelernt. Sein Großvater war schon Mitglied in der SZF, sein Vater viele Jahre Schatzmeister. Stefan Rensing hat diverse Vorstandsressorts bekleidet und ist seit 2010 SZF-Vorsitzender. „Ich kann gut organisieren“, sagt der 55-Jährige. Das helfe in diesem Ehrenamt ebenso wie im Hauptberuf. Rensing, promovierter und habilitierter Zellbiologe, ist seit 2021 Prorektor für Forschung und Innovation der Uni Freiburg.
Die Verbindung von Hochschule und Skisport hat Tradition im Schwarzwald und bei der SZF, die einer der größeren Schwarzwälder Skivereine ist und ihren Sitz in Freiburg hat. Vor allem in den Anfangsjahren waren die meisten Vereinsmitglieder Uniangehörige. Das hatte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem finanzielle Gründe – „früher konnten es sich andere gar nicht leisten, Ski zu fahren“, sagt Rensing. Auch jetzt gebe es noch viele Akademiker unter den rund 500 Vereinsmitgliedern. Aber nicht mehr als in anderen Freiburger Skiclubs. Das liege am generell hohen Akademikeranteil in der Unistadt und ihrer Umgebung. Elitäres Denken weist Rensing von sich. Auch die Zeiten, in denen nur Männer ins Vereinsheim durften, sind längst vergangen.
Moderne Küche, alte Stockbetten
Das 1930 gebaute und nach seinem Stifter Wilhelm von Opel benannte Haus ist das Herzstück des Vereins, räumlich wie finanziell. Es ist die wichtigste Einnahmequelle und war dennoch lange Zeit ein Zuschussbetrieb. Das hat Rensing geändert. Der Verein hat in den zurückliegenden fünf Jahren mehrere hunderttausend Euro und viel Engagement investiert, um das Haus, das einzelne Gäste oder Gruppen buchen können, attraktiver zu machen. Der Hausbetreuer, der unterm Dach wohnt, ist Zimmerer und konnte Holzarbeiten erledigen. Unter den Mitgliedern sind zudem einige Unternehmer, die Material oder Leistung stifteten. Zunächst wurden die fast fünfzig Jahre alten Sanitärräume und die Sauna renoviert und in der Folge die Zimmerpreise erhöht. Für Nichtmitglieder deutlicher als für Mitglieder. Seit wenigen Monaten ist auch der Anbau mit neuer Küche und Essraum fertig, der den Selbstversorgern viel Komfort bietet. Die neue Terrasse muss bis zur Jubiläumsfeier im Juni so weit sein.
Jetzt begegnen sich im Opelhaus Gegenwart und Vergangenheit. Während sich ein Teil des Erdgeschosses modern präsentiert mit schlichtem Holz, Kochinsel, Barhockern, hochwertigen Geräten und bodentiefen Fenstern, ist in den Stockwerken darüber der alte Hüttencharme erhalten geblieben. Der Linoleumboden knarzt, auf den Stockbetten liegt rotweiße Bettwäsche bereit, an den Wänden der alten Stube hängen Dutzende Schwarzweißfotos von Skirennen und -springen zurückliegender Jahrzehnte, und im Regal drängeln sich Pokale.
Die Förderung des Skirennsports steht in der Vereinssatzung, erzählt Rensing, der unter Fotos von Vater und Großvater Platz genommen hat. Er selbst war nie Rennfahrer, hat aber schon im Alter von 18 Jahren die Skilehrerausbildung begonnen. Parallel zu Studium und Doktorarbeit trainierte er den Nachwuchs. Zum Rennteam gehören aktuell 30 bis 40 Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 18 Jahren.
SZF-Mitglieder haben zwar nur wenige größere Titel gewonnen, aber regelmäßig an deutschen wie internationalen Meisterschaften teilgenommen und tun das immer noch. Viele Jahre veranstaltete der Verein im eigenen Skistadion Fahler Loch selbst das Osterspringen. Nachdem der internationale Verband in den 1990er Jahren die Anforderungen änderte, wurde die Schanze abgebaut. Seither fließt noch die Pacht des Fahler Lifts in die Vereinskasse. Das waren in den zurückliegenden Wintern allerdings deutlich weniger Einnahmen. Einmal durften wegen der Pandemie keine Lifte laufen, einmal fehlte der Schnee.
Unabhängiger vom Schnee
Was macht eine Skizunft, wenn der Winter ausbleibt? Bislang ist die SZF ihrem Namen entsprechend auf die kalte Jahreszeit ausgerichtet. Die meisten Gäste kommen während der Skisaison. Im Januar und Februar sind alle Wochenenden schon ein Jahr vorher ausgebucht – längerfristige Reservierungen erlaubt das Onlinebuchungssystem nicht. Auch für die Fasnachtsferien 2024 ist das Opelhaus jetzt schon belegt. Doch es ist auch ohne Schnee schön auf dem Feldberg, sagt Stefan Rensing und zeigt vom Balkon im ersten Stock auf Wald, Klettergarten, Feldbergturm und den Weg zum Raimartihof. Er kommt mit seiner Familie jedes Jahr ein Wochenende im Sommer her.
“Auf dem Feldberg ist es auch ohne Schnee schön.”
Stefan Rensing, Vorsitzender Skizunft Feldberg
„Wir hatten immer auch andere Sportarten im Verein“, berichtet Rensing. Zum Beispiel Radsport. Es gebe viele Mitglieder, die aktiv Mountainbike fahren. Allein: Am Feldberg fehlen dafür die Trails. Um das zu ändern, hatte die SZF vor einer Weile die Initiative ergriffen und das Gespräch mit Verantwortlichen am Feldberg gesucht. Bislang ohne Ergebnis. „Da verschläft der Schwarzwald was“, sagt Rensing. Andere Wintersportgegenden seien mit der Transformation zur Ganzjahresdestination deutlich weiter.
Die SZF will sich selbst unabhängiger vom Schnee machen. Schulklassen kommen schon ganzjährig. Der neue Flyer preist das Opelhaus für viele andere Aufenthalte an – „Seminare, Lehrgänge, Teambuilding-Maßnahmen“. Eine Idee ist es zudem, Kochseminare zu veranstalten. Entsprechende Anfragen von Köchen gebe es bereits, berichtet Rensing. Aber die Küche ist erst Anfang Dezember fertig geworden, dann begann die Wintersaison. „Jetzt wollen wir uns darum kümmern“, sagt der Vereinschef. Parallel dazu laufen die Vorbereitungen fürs Jubiläumsfest, das im Juni gefeiert wird. Die Gästeliste steht, Redner sind angefragt. Bei einem Sommerfest wird es sicher auch um die Zukunft und die Nachhaltigkeit des Wintersports gehen. Rensing sieht seinen Verein hier gut aufgestellt. Zum einen hätten die jüngsten Investitionen auch neue Fenster, eine neue Heizung sowie ein neues Dach beinhaltet und somit zum Klimaschutz beigetragen. Zum anderen sei es wesentlich nachhaltiger, Urlaub im Schwarzwald zu machen, als in die Ferne zu fliegen.