Nicht, weil die Tropfen so viel edler sind, die Gebäude bombastischer, der Wein sich besser verkauft, ist Südtirol ein Vorbild im Wein-Marketing. Den Südtirolern ist es vor allem gelungen, eine Region anhand einer Route bekannt zu machen, ihr einen Namen und eine Geschichte zu geben. Kurz, es ist gelungen, eine Marke zu etablieren, Emotionen anzusprechen. Kaum ein Weingenießer kennt sie nicht, die „Südtiroler Weinstraße“.
Ja, die Südtiroler, die haben einiges richtiggemacht. Fragt man Winzer am Kaiserstuhl, zwischen Freiburg und Rheintal, dort, wo sich Vulkanhügel erheben, zieht Andreas Hiss (45) aus Eichstetten die Augenbrauen hoch. „Südtirol ist eine wahnsinnige Marke“, kein Neid, sondern Bewunderung, vor allem für die Architektur. Ein Thema, das ihn und seine Frau Alexandra (40) zuletzt intensiv beschäftigt hat: An der Hauptstraße der kleinen Gemeinde entsteht nicht nur ein neuer Verkaufsraum, auch der unter dem Innenhof liegende Keller wird umgebaut, neue Maschinen und es werden neue Kapazitäten geschaffen. Der Grund ist nicht allein die Ästhetik, sondern auch der Wille und die finanziellen Mittel zur Steigerung der eigenen Effizienz.
Und wenn, dann gleich richtig: Andreas Hiss hat ein österreichisches Planungsbüro mit Architekt Norbert Grabensteiner beauftragt, der auch eine Agentur an der Hand hat, die auf Markenbildung im Weinbau spezialisiert ist. Neubau bedeutet dann auch strategischer Umbau, mit ungewöhnlicher Markenlinie für die Kundenstruktur: Ausgefallene Etiketten mit historischen Persönlichkeiten und Köpfen als Weintrauben. Starke Gegensätze auch bei der Architektur. Das Fachwerk aus Stahl wiederholt das Muster der alten Gebäude, ein Spiel mit Alt und Neu, eine Verbindung zu den angrenzenden Gebäuden. Gleich der erste Entwurf war eine Punktlandung.
„Wir wollten Glas, Transparenz und Offenheit, wir wollen, dass die Leute zuschauen, wenn wir hier schaffen und wir wollten keine verschlossenen Hinterhöfe mehr.“ Terrassenartig aufgebaut, wie der Kaiserstuhl „eine wahnsinnig schöne Region, die nur nach vorne kommt, wenn es Highlights gibt“, Marken, starke Architektur, Ästhetik – als ganzheitliche Sinneswahrnehmung. Das könnte, so Andreas Hiss, einen enormen Effekt auf Touristen haben und damit auf die Branchen, die damit zusammenhängen. Hotels, Gastronomie. „Wir sind nur ein kleines Rad im Kaiserstuhl, wir wollen uns über die Region hinaus bekannt machen und damit die Region selbst in ihrer Markenbildung voranbringen.“
Am anderen Ende von Eichstetten – ungefähr fünf Autominuten weiter hat Arndt Köbelin sein Weingut, am Ende der Straße, wo die Reben beginnen zu wachsen. Mit drei Hektar seiner Eltern startete er, inzwischen sind es über 20. Mit Handschlag begrüßt er jeden seiner Kunden und wenn er erzählt, dann wägt er seine Worte ab. Man kann sich gut vorstellen, wie er seine Marke selbst entwickelt hat. Ohne externe Texter, ohne Strategen, ganz ohne Hilfe von Agenturen und auch ganz ohne architektonische Altlasten. Schon während seinen Lehrjahren in Neuseeland hatte ihn fasziniert, dass es dort tolle Architektur gab. „Weingüter frei von Traditionen und niemals altmodisch.“
Umso wichtiger war ihm, dass auch sein Weingut eine zeitlose Architektur hat, „auch in zwanzig Jahren will ich das noch anschauen können“, sagt Köbelin und lacht. „Ich wollte das Gebäude auch abseits vom Wohnhaus. In den 80er Jahren war es noch typisch, dass die Gebäude eine Einheit bildeten.“ Gemeinsam mit dem Freiburger Architekt Thomas Martin ist ein faszinierendes Bauwerk gelungen: Der Blick wird feinfühlig nach draußen gelenkt und zugleich ist die Natur in die verwendeten Materialien aufgenommen, „die Formsprache davon beeinflusst“, sagt Arndt Köbelin, der mit 16 begann, sich für Wein zu begeistern. „Wir haben viele Veranstaltungen rund um den Wein, auch Weinproben, Firmenfeiern oder Geburtstage“. Im Sommer auch auf der Dachterrasse mit Blick in das Umland. Vom atmosphärischen Verkaufsraum führen Rebberg-Drähte rauf und unter der Treppe bilden Kaiserstühler Gesteinsschichten eine Naturwand. Die Türen sind aus Eiche wie auch die Fässer im Keller, hineingebaut in den Hang, aus verzinktem Stahl die Theke, auch eine Hommage an die Edelstahltanks. „Mir waren Naturmaterialien wichtig, wir haben zum Beispiel auch Hanf bei der Isolation verwendet. Eine große Investition war das. Aber „das Winzerhandwerk ist auch etwas für Generationen“, sagt der zweifache Vater.
Der Betrieb sollte so aufgestellt sein, dass er für die nächste Generation bereit ist, aber auch verkauft werden kann. Und wenn man Erfolg haben will, dann braucht man diesen eigenen Stil“, sagt er. Es gehe darum, seinen Fanclub zu finden, mit einem Gesamtbild, das aus sehr vielen Einzelteilen bestehe. Allein der Geschmack der Weine und das Etikett seien dabei eben nicht mehr alles.
Eva Maria Köpfer, Geschäftsführerin des Weinguts Abril in Vogtsburg-Bischoffingen am Kaiserstuhl sieht das ähnlich, nennt die „herausragenden Architekturen“ der Weingüter in der Umgebung, die den Schritt gegangen sind und eine solche Strahlkraft besitzen, dass die ganze Region davon profitiert. Sie sagt: „Das geht nur zusammen. Die Vielfalt ist das, was uns ausmacht und wer Vielfalt bieten kann, ist interessant, deshalb gehörten solche Objekte genauso dazu wie die schönen alten Winzerhöfe.“ Köpfer selbst führt das Weingut, das der Architekt Wolfgang Münzing erbaute, mit moderner Technik und verschiedenen Möglichkeiten, die Weine auszubauen, die sich in der Qualitätsentwicklung bemerkbar macht. Das in wetterfesten Stahl gepackte Gebäude ist markant, kontrastreich, weil kubisch und passt sich dennoch der Witterung an und harmoniert besonders im Herbst mit der Umgebung, zu dem Zeitpunkt, wenn das Laub sich verfärbt. Köpfer findet: „Ein herrlicher Anblick, wenn die Sonne auf diese Fassade strahlt. Natürlich lässt sich über die Optik streiten“, doch was die Kellertechnik angehe, den internen Ablauf und auch die Nachhaltigkeit des Gebäudes, dürfe es Vorbild sein – inzwischen eines von vielen. „Denn Ziel muss sein, so viele Weinliebhaber wie möglich an den Kaiserstuhl zu bringen. Und einer alleine kann das nicht schaffen.“