Trotz neuer, klimafreundlicher Motive: Der Badische Winzerkeller in Breisach will aus der gemeinsamen badischen Weinwerbung austreten. Wieder mal. Auch 2009 gab es schon eine Kündigung, die aber zurückgezogen wurde. Was ist da los?
VON KATHRIN ERMERT
Wer im Internet nach den Begriffen Badischer Wein und Werbung sucht, muss aufpassen, mit den Jahreszahlen nicht durcheinander zu kommen: Ähnliche Debatten wie die aktuelle spielen sich alle paar Jahre ab. Entsprechend gelassen reagiert Christina Lauber. „Die Frage stellt sich seit fast siebzig Jahren“, sagt die Geschäftsführerin der für die gemeinsame Werbung zuständigen Badischer Wein GmbH in Baden-Baden. Uneinigkeit, Kündigungen, Aus- und Wiedereintritte gebe es so lange wie die Weinwerbung selbst. Die Konflikte haben immer wieder Änderungen bewirkt. Übrigens auch in der Geschäftsführung: Lauber ist die dritte Chefin innerhalb von zwölf Jahren.
„Uneinigkeit, Kündigungen, Aus- und Wiedereintritte gibt es so lange wie die Weinwerbung selbst.“
Christina Lauber, Geschäftsführerin Badischer Wein GmbH
2009, als der Winzerkeller schon mal gekündigt hatte, entstand die neue Organisation als GmbH. Seither sind nicht mehr nur Genossenschaften Gesellschafter (gebündelt in der Weinwerbezentrale badischer Winzergenossenschaften), sondern auch private Weingüter, die dafür die Weinwerbung Beteiligungsgesellschaft gegründet haben. Daraufhin zog der Winzerkeller seine Kündigung zurück.
Die bisher letzte Krise der Weinwerbung liegt erst drei Jahre zurück. Um den Jahreswechsel 2018/19 hatten einige Markgräfler Winzer die Werbegemeinschaft verlassen, weil die Kosten nicht „verursachungsgerecht“ umgelegt wurden. Das heißt: Alle zahlten den gleichen Obolus pro Hektar, unabhängig davon, ob sie Leistungen wie gemeinsame Messestände nutzten. Diese Finanzierung wurde geändert. Seit 2020 fließen die Mitgliedsbeiträge – die zugleich um die Hälfte auf 100 Euro pro Hektar sanken – ausschließlich ins Werbebudget, das konstant blieb. Kosten für andere Leistungen wie Sommelierreisen oder Gemeinschaftsmessen zahlen nun nur diejenigen, die sie in Anspruch nehmen. Die Abtrünnigen konnte man damit zwar nicht halten, sagt Lauber, dafür aber neue Mitglieder gewinnen.
Es geht ums Geld
Ähnlich kompliziert wie ihre Organisation ist die Aufgabe der Weinwerbung: Sie soll den Absatz badischen Weins fördern und muss dafür viele sehr unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen. Denn Baden ist ein sehr heterogenes Weingebiet. Gemessen nach Rebfläche (15.000 Hektar) und Produktionsmenge (rund 110 Millionen Liter) ist es ist das drittgrößte in Deutschland nach Rheinhessen und der Pfalz. Geografisch ist Baden das weitläufigste und vielfältigste. Es erstreckt sich in einem etwa 400 Kilometer langen Bogen vom Bodensee im Süden bis ins Tauberfränkische im Norden und umfasst neun Bereiche mit rund 18.000 Winzern und 74 Winzergenossenschaften. Flächenmäßig sind zwei Drittel davon sind in der Weinwerbung vertreten. Noch.
Mit rund 15 Millionen Litern jährlich und 1.618 Hektar Rebfläche ist der Badische Winzerkeller in Breisach der deutlich größte Erzeuger badischen Weins. Und der größte Beitragszahler der Weinwerbung. Ohne den Verbundbetrieb, der die Trauben von 50 Winzergenossenschaften verarbeitet, sinkt das Kommunikationsbudget der Weinwerbung um 15 Prozent auf knapp 900.000 Euro. Allerdings erst 2024, denn die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre.
Warum will der Winzerkeller die Werbegemeinschaft diesmal verlassen? Vor allem geht es ums Geld. Der Winzerkeller muss sparen. Das steht deutlich im jüngsten Geschäftsbericht. Von Transformation, unbefriedigenden Erlösen und strikter Kostenkontrolle ist da durchgängig die Rede. Seit Jahren verdient der Winzerkeller nicht so viel, wie er seinen Mitgliedern an Traubengeld auszahlt. Das hatte auch schon der alte hauptamtliche Vorstand Peter Schuster erkannt. Deutlich mehr Schwung haben die Sparmaßnahmen allerdings vergangenes Jahr mit dem neuen Chef André Weltz bekommen.
Der hat in einer „Roadmap 2023“ skizziert, wo es lang gehen soll. Scheinbar alles steht auf dem Prüfstand: Einkauf, Sortiment, Geschäftsbeziehungen.
„Ich möchte das, was uns nichts bringt, einstellen und damit Platz für Neues schaffen.”
André Weltz, Chef des Badischen Winzerkellers
Das gelte auch für die 160.000 Euro, die der Winzerkeller jährlich der Weinwerbung zahlt. Der 52-Jährige, der jüngst für den Sender RTL in die Rolle des „Undercover Boss“ schlüpfte, gefällt sich in der Rolle des Aufräumers mit frischem Wind. „Ich bin nicht in erster Linie hergekommen, um neue Freunde zu gewinnen“, sagt er. Deshalb traue er sich, anders als mancher Vorgänger, eine Weinwerbung zu kündigen.
Denn, und das ist der andere Grund, den Weltz für die Kündigung anführt: Deren neue Kampagne, die auf den Garten statt der Sonne setzt, laufe den Interessen des Winzerkellers entgegen. „Der Trigger ist nun mal die Sonne“, sagt Weltz. Auf sie setze der Winzerkeller selbst konsequent. Es brauche Jahre, um eine neue Marke zu etablieren. Der Haken an dieser Argumentation: Der Winzerkeller war von Anfang an in die Entwicklung der neuen Dachmarke eingebunden.
Ein Garten für alle
Dutzende Vertreter nicht nur aus dem Weinbau, sondern auch aus Verwaltung, Tourismus und der gesamten Landwirtschaft haben sich fast zwei Jahre lang Gedanken gemacht, wie sie für Baden werben wollen und mit einer Agentur eine Kampagne ausgearbeitet. Das Ergebnis ist der neue Slogan „Baden – der Garten Deutschlands“. Er soll das alte Motto „Badischer Wein – von der Sonne verwöhnt“ inklusive des uralten Sonnenmännles demnächst ablösen. Gerade hängt man zwischen den beiden Kampagnen. Es solle „einen behutsamen Übergang geben, um die bekannte Bildsprache in die neue übergeordnete Idee zu integrieren“, sagt Holger Klein, Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands, dem die Markenrechte gehören.
„Wir waren sehr froh, dass wir dieses Bild gefunden haben“, sagt Klein. Der Garten führe das Thema Sonne fort („ohne Sonne wächst nichts“), spiegele aber zugleich die große Vielfalt der badischen Weine und Badens insgesamt. Er sei positiv besetzt, nachhaltig, ein Trendthema, das Corona sogar noch verstärkt hat. „Baden – der Garten Deutschlands“ soll zudem die Herkunft in den Vordergrund rücken, wie es das neue Weinrecht spätestens ab 2026 verlangt.
Dann müssen die alten Kategorien wie Qualitäts- oder Prädikatswein, die sich in erster Linie am Mostgewicht festmachen, geografischen Herkunftsangaben weichen. Die geschützte Ursprungsbezeichnung Baden gibt es schon, Träger der Schutzgemeinschaft ist der Weinbauverband. Er bietet die neue Dachmarke wie vorgesehen auch anderen Akteuren aus der Region, die teilweise ja an der Entwicklung beteiligt waren, zur Nutzung an, etwa Obstbauern, Imkern, Brennern oder Gastronomen. Erste Gespräche mit deren Verbänden laufen schon.
Lizenz als Lösung?
Das ist auch im Sinne von Weinwerbe-Chefin Lauber. Sie wünscht sich, „dass die Badener endlich begreifen, was es bringt, wenn alle zusammenstehen“. Gleichzeitig arbeitet sie allerdings an einem Szenario ohne ihren größten Beitragszahler und schaut dafür auch in andere Bundesländer und Anbaugebiete. Außer Baden-Württemberg verpflichten alle Länder mit Weinbaugebieten ihre Winzer, eine Werbeabgabe zu zahlen. Das will man hierzulande nicht. Eine andere Lösung könnte eine Lizenzgebühr sein. Denn das Land kann mit dem neuen Weinrecht Bedingungen für die Nutzung der Gebietsmarke festlegen und so der Weinwerbung eine neue Geldquelle verschaffen.
Und der Winzerkeller? Er kann, wie 2009 geschehen, jederzeit seine Kündigung zurückziehen. Und sich zum Beispiel gemeinsam mit der Weinwerbung und dem Weinbauverband dafür einsetzen, dass badische Weine nicht mehr so billig verkauft werden. Das würde dem Sparkurs, der ohne Frage nötig ist, sicherlich mehr nutzen als die Einstellung des Mitgliedsbeitrags für die Weinwerbung, der gerade einmal 0,3 Prozent seines Umsatzes ausmacht.