Bahnen schwimmen, in der Sauna schwitzen, auf der Massageliege geknetet werden – wie werden Wellness und Spa-Angebote in Corona-Zeiten angenommen? Und warum die Branche von der Politik enttäuscht ist.
VON ANNA-LENA GRÖNER
550 Tagesgäste statt 1200 bei Normalbetrieb – das ist die ernüchternde Bilanz der „Vita Classica Therme“ in Bad Krozingen. Totzdem ist Rolf Rubsamen, Geschäftsführer der Kur und Bäder GmbH, zuversichtlich. Seit dem 9. Juni hat die Therme wieder geöffnet, die Saunalandschaft bleibt vorerst noch geschlossen. „Wellness ist normalerweise ein Herbst- und Winter-Geschäft. Wir sind daher für den Sommer und trotz der Auflagen durch Corona gut gestimmt.“
Die Menschen seien dennoch sehr vorsichtig, vor allem die Gäste aus der Schweiz und aus Frankreich werden in Bad Krozingen vermisst. 520 Besucher dürfen aktuell gleichzeitig in der Therme sein, Mundschutz muss bis zur Umkleidekabine oder bei den Anwendungen getragen werden, ansonsten gelten Abstandsregeln und ausreichend Desinfektionsmöglichkeiten. Time Slots für die Therme, wie es einige Freibäder regeln, um nicht überrannt zu werden, hält Rubsamen für „absoluten Unfug“. Wer nicht mehr reinkommt, müsse eben warten.
Einen gebuchten Termin braucht man lediglich für Massagen, Behandlungen und die vier Privat-Spas. Niemand geringeren als den Europa- Park nimmt man sich bei seinen Angeboten, aber auch betriebswirtschaftlich zum Vorbild – und selbst den hätten die letzten Monate geschmerzt. Damit es der Therme in Bad Krozingen nicht so ergeht wie zum Beispiel Badenweiler, ist man darauf bedacht, Überschüsse zu erwirtschaften und eine gesunde Preispolitik durchzuführen.
Zu 61 Prozent gehört die Kur und Bäder GmbH der Kommune, zu 33 Prozent der Volksbank Breisgau Süd eG, den Rest teilen sich seit Gründung alteingesessene Familien im Ort. Im vergangenen Jahr konnte das Gesamtunternehmen, zu dem neben der Therme unter anderem auch das Freizeitbad Aquarado, der Kurpark und die Tourist-Info zählt, 13 Millionen Umsatz generieren.
Trotz Öffnung und Lockerungen: von Normalität kann noch nicht die Rede sein. Die drei Monate Lockdown hängen schwer nach, schließlich habe man bisher keinerlei Unterstützung erfahren. Beim Bundes-Konjunkturprogramm hat die Kur und Bäder GmbH mit ihren 120 Mitarbeitern Chancen auf maximal 50.000 Euro pro geschlossenem Monat. „Das sind insgesamt 150.000 Euro, ein Witz“, so der Geschäftsführer. „Wir haben schon jetzt gut eine Million Euro Einbußen.“ Rubsamen und Kollegen fordern einen Rettungsschirm für die rund 30 Thermen in Baden-Württemberg. Das Land und nicht die Kommunen sollte dafür aufkommen.
Chaos und Uneinigkeit
Auch Alexander Aisenbrey, Geschäftsführer des 5-Sterne-Superior Resort „Der Öschberghof“ in Donaueschingen, ist von der Politik enttäuscht. „Sicher, es ist eine Situation, die noch nie da war. Aber was nicht gut lief und immer noch nicht gut läuft, ist die Informationspolitik.“ Ein Beispiel: Erst habe man einen Großteil der 391 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen und die Anlagen heruntergefahren, damit die Kosten im Zaum bleiben, um einen Tag später zu erfahren „übermorgen könnt ihr aufmachen“. „Das ist wirtschaftlich und logistisch nicht machbar“, sagt der Geschäftsführer.
Das komplette Resort hatte erst vor gut einem Jahr eine vierjährige Umbauphase hinter sich gebracht. Für insgesamt 60 Millionen Euro hat man die Luxusanlage herausgeputzt und flächenmäßig verdoppelt: von 130 auf 235 Betten, von einem 27-Loch Golfplatz auf einen 45-Loch-Platz, von 2500 Quadratmeter Spa- und Gym-Bereich auf 5000 Quadratmeter.
Statt richtig loszulegen und die Auslastung weiter auf gewohnten 80 bis 90 Prozent zu halten, wurde das Resort fast zum Stillstand gebracht. „Wenn wir mit unserer Auslastung etwa wieder auf die Hälfte kommen, sind wir froh“, sagt Aisenbrey. Außer Kurzarbeitsgeld habe sein Unternehmen keinen Cent Unterstützung bekommen, auch im Konjunkturprogramm werden lediglich kleine und mittelständische Unternehmen berücksichtigt.
Die Grenze liegt bei 249 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern – Der „Öschberghof“ liegt deutlich darüber. „Wir haben 75 Auszubildende und damit die meisten Azubis im Kreis. Uns will man nicht fördern, weil wir zu groß sind. Wenn wir aber unsere Auszubildenden weglassen, dann kann die Berufsschule in Villingen zwei Klassen schließen, darüber wird nicht nachgedacht.“ Über die Sinnhaftigkeit vieler einzelner Corona-Maßnahmen kann Aisenbrey nur den Kopf schütteln.
Ein gemeinsamer Fahrplan auf Bundes-, aber auch auf europäischer Ebene, wäre aus Sicht des Geschäftsführers wünschenswert gewesen. Stattdessen Chaos und Unsicherheit vor allem unter den Hoteliers und Gastronomen. „In dieser modernen Zeit muss man leider sagen: 0 Punkte bei der Kommunikation, in der Absprache und beim Miteinander.“
Aisenbrey ist sich sicher: 90 Prozent der Branche sind unzufrieden. Dabei liege die Problematik neben den schwierigen Absprachen in der Politik vor allem darin, dass der Hotellerie eine gewisse Einigkeit fehlt: „Wir haben zu viele Verbände – die Dehoga, die IHA, die Bundes-Dehoga und 16 Landesverbände.“ Alle würden sich untereinander zu wenig abstimmen und die Interessen aller seien nur schwierig unter einen Hut zu bekommen.
Im August kommen die Fußballer
„Wir sind zwar nicht systemrelevant, aber wir sind sozialrelevant“, sagt Alexander Aisenbrey. Wenn man einmal die Wertschöpfungskette betrachten würde, die durch die Hotellerie und Gastronomie am Laufen gehalten wird – vom Winzer über den Fleischer, vom Spargel- und Erdbeerlieferanten bis hin zum Boots- und Fahrradverleih – „wenn man das einmal aufrechnet, sieht man, was wir für eine Wirtschaftsmacht darstellen. Das wird von der Politik ignoriert.“ Auch, weil man leider keine gute Lobby habe.
Trotzdem weiß der Geschäftsführer, dass es seinem Betrieb, im Vergleich zu einigen seiner Kollegen, gut geht. Das Resort „Der Öschberghof“ gehört zur Unternehmensgruppe Aldi Süd, die sicherlich gut aus dieser Krise kommen wird. Auch Aisenbrey rechnet 2021 wieder mit einem normalen Geschäftsverlauf.
Schon jetzt würde das Hotel mit seinem Spa-Bereich und dem Golfplatz wieder gut besucht werden, „unser Vorteil ist die Fläche.“ Abstand könnte locker und überall gewährt werden. Im Wellnessbereich sind daher alle 11 Saunen, Innen- und Außenpools sowie die 10 Behandlungskabinen seit dem 6. Juni wieder im Einsatz, lediglich die Dampfbäder bleiben noch geschlossen. Die fehlenden Tagungsgäste, die vor allem in den Monaten Oktober und November den Öschberghof besuchen (gut 40 Prozent des gesamten Business fallen in diesen Bereich), möchte man durch Wellnessbesucher ausgleichen.
Hier müsse man jetzt seine „Hausaufgaben“ machen und sich klar platzieren. Schon jetzt würde man merken, dass neben dem hohen Stammgästeanteil von gut 70 Prozent, viele neue Besucher kommen. Davon einige aus der Region, die meisten blieben sogar ein bis zwei Nächte länger als vor Corona. Diese Entwicklung macht dem Geschäftsführer Mut. „Ich bin zuversichtlich, dass wir im Juli 60 bis 70 Prozent Belegung schaffen. Im August kommen die Fußballer zum Trainingslager. Soweit ich weiß, hat Köln schon fest zugesagt.“