Auf Erfolgskurs mit nachhaltigem Mobilfunk: Das Freiburger Start-up WEtell geht seinen
Weg und baut sich eine Community auf. Das Credo dabei: Laut sein.
VON DANIEL RUDA
Eine Stunde und vierzig Minuten. Andreas Schmucker kann es auch ein paar Wochen später noch nicht so recht glauben, wie schnell es ging. 700.000 Euro von Kleininvestoren sammelte das Freiburger Start-up WEtell Anfang April auf der Online-Plattform GLS-Crowd in Rekordzeit ein. Theoretisch war die Kampagne des nachhaltigen Mobilfunkanbieters auf sechs Wochen angelegt, praktisch hatte das Jungunternehmen damit gerechnet, dass es möglich wäre, die Zielsumme innerhalb von ein paar Tagen einzusammeln. Es brauchte dann nicht einmal zwei Stunden.
„Das war schon heftig“, sagt der 36-Jährige aus dem Gründertrio. Die Kommunikation über Social Media, mit der die Kampagne hauptsächlich lanciert wurde, kam gar nicht mehr hinterher, nachdem sie davor um zwei Wochen verschoben werden musste, weil die letzte Unterschrift bei der Zulassung der ganzen Sache zu lange auf sich warten ließ.
700.000 Euro in weniger als zwei Stunden
Und dann rappelte es auf der virtuellen Plattform der GLS Bank, über die die ungewöhnliche Finanzierung lief. Hunderttausend, Zweihundertfünfzigtausend, das Mindestziel vierhunderttausend und ruckzuck die vollen Siebenhunderttausend: Beim virtuellen Meeting im Anschluss habe das Team von 15 Leuten erstmal „emotional nachkommen“ müssen vor Freude, sagt Schmucker. Ein paar Tage zuvor hatte das Startup in Freiburg zudem den Georg Salvamoser-Umweltpreis mit 10.000 Euro verliehen bekommen.
„Es läuft ziemlich gut“, sagt Gründerin Alma Spiribille. Seit einem Jahr ist WEtell nun auf dem Markt und am Netz. Sämtliche unternehmerischen Schritte geht das Start-up im Sinne von Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Fairness, Datenschutz und Transparenz. „Wir wollen werteorientiert wirtschaften, nicht gewinnorientiert. Und das wollen wir auch offensiv nach außen tragen.“
Der Tag Anfang April war dafür ein Meilenstein in der kurzen Geschichte des Jungunternehmens. Auch weil er so deutlich machte, welche Bedeutung und Begeisterung das Thema Nachhaltigkeit im unternehmerischen Tun nach Außen entfachen kann.
„Wir wollen laut sein mit unserer Haltung und unserer Idee“, sagt auch Andreas Schmucker während eines Videocalls, als er über Vertrieb und Marketing spricht, für die er zuständig ist. Im gelb-schwarzen Firmenlogo wird einem der Name aus dem Megafon fröhlich entgegen gebrüllt. Auch die PR-Weisheit, die auf den Titel des 50 Jahre alten „klassischen Handbuchs der Public Relations für die Wirtschaft“ zurückgeht, kommt einem in den Sinn: Tue Gutes und rede darüber.
„Wir wollen laut sein mit unserer Haltung und unserer Idee“
Andreas SChmucker aus dem wetell-gründertrio
Das wachsende Umweltbewusstsein kommt WEtell zugute. Den Kunden garantiert das Start-up, dass sie beim Telefonieren eine positive Klimabilanz aufweisen und so Unterhaltung( en) mit Haltung verbinden können. Dazu wurden bislang unter anderem mehr als 1000 Solarmodule deutschlandweit im Verbund mit einem Partner installiert. Es gibt noch viele weitere Schritte, von der Kompensation der eigenen CO2- Emmissionen bis hin zur Zusammenarbeit mit anderen nachhaltig aufgestellten Firmen und Dienstleistern. Kunden dürfen sich zudem sicher sein, dass ihre Daten auch nicht in anonymisierter Form weiterverkauft werden, was in der Mobilfunkbranche ansonsten eher die Ausnahme ist.
Für ihre Überzeugung haben die Freiburger die 700.000 Euro auch komplett von Kleininvestoren und nicht wie üblich von finanzstarken Einzelinvestoren eingesammelt, die Beträge von 250 bis hin zu maximal 25.000 Euro investiert haben. „Community- basiert“, so will man sich auf- und darstellen im Headquarter im Kreativpark Lokhalle. Schon das ursprüngliche Startkapital von 180.000 Euro wurde mit einer Crowdfunding- Kampagne reingeholt. Mit dem neuen Geld, das an die Investoren mit Zinsen zurückgezahlt wird, sichert WEtell das nächste Geschäftsjahr, vergrößert sein Team und intensiviert Marketing und Vertrieb.
Die Stromrebellen aus Schönau als Vorbild
Rund 3500 Kunden haben aktuell einen Mobilfunkvertrag mit dem noch sehr kleinen Player abgeschlossen, auch Geschäftstarife sind seit Kurzem im Portfolio. Damit sich das Geschäft selbst trägt, braucht es 15.000. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es mehr Handyverträge als Einwohner. Das Potenzial ist also riesig, „eine nachhaltige Alternative auf dem Mobilfunkmarkt gab es bislang nicht“, sagt Alma Spiribille.
Die 36-jährige Wirtschaftsingenieurin spricht von der Liberalisierung des Strommarkts und den Elektrizitätswerken Schönau als Vorbild: „Wir wollen mit unserem Angebot auch Druck aufbauen, damit sich in der Mobilfunkbranche dahingehend etwas verändert“. Sie wünscht sich zum Beispiel, dass Hürden für einen Anbieterwechsel kleiner werden: Während Stromanbieter das für ihre Kunden übernehmen, ist das im Mobilfunk noch nicht möglich. Die meisten großen Anbieter bieten zudem nur Vertragslaufzeiten von 24 Monaten – bei WEtell kann man monatlich kündigen.
Mit viel Idealismus war das Gründertrio, das sich aus der gemeinsamen Arbeit rund um das Thema Erneuerbare Energien am Fraunhofer ISE kennt, vor zwei Jahren an den Start gegangen – in ein paar Wochen werden sie alle komplett ins selbstgegründete Unternehmen wechseln. „Idealismus wird in der Wirtschaft aber belächelt, wenn keine knallharten Zahlen dahinterstehen“, sagt Andreas Schmucker, das sei eine von vielen Erfahrungen aus dieser anstrengenden sowie aufregenden Zeit. Gerade im Mobilfunkbereich habe ihnen niemand zugetraut, wirklich ein klimaschonendes und nachhaltiges Angebot zustande zu bringen.
WEtell wird zum Purpose-Unternehmen
Doch es hat geklappt, die größte Hürde unter vielen war dabei, den richtigen Netzanbieter zu finden. Der erste Partner zog überraschend zurück, was erstmal einer Katastrophe gleichkam: „Wir wollen nachhaltigen Mobilfunk machen, und dann bricht der Mobilfunk weg“. Ein halbes Jahr später war Tele 2 an Bord, ein deutsches Unternehmen, das ehemals zu einem schwedischem Mutterkonzern gehörte. Über diese Kooperation werden WEtell-Kunden ans Mobilfunknetz von Vodafone angebunden, der komplette Service läuft über Freiburg. „Unser Produkt muss dabei im täglichen Leben an keiner Stelle zurückstecken: Wir wollen nicht dieses Klischee bedienen, dass Nachhaltigkeit mit Verzicht einhergeht“, betont Andreas Schmucker.
Gerade arbeitet WEtell an der Gemeinwohl-Zertifizierung sowie an der Umfirmierung hin zu einem sogenannten Purpose- Unternehmen. Im Verantwortungseigentum, wie es heißt, soll die Firma damit quasi sich selbst gehören und so zukünftig frei von externen wie internen Einflüssen bleiben, bei denen Profit das Ziel ist. „Die Sinn-Orientierung wird in der Satzung festgeschrieben“, sagt Alma Spiribille. „Wir kommunizieren das Thema Nachhaltigkeit nicht, um als Mobilfunkanbieter erfolgreich zu werden“, der Ansatz gehe genau andersrum, sagt ihr Gründerkollege: „Wir möchten ein erfolgreicher Mobilfunkanbieter werden, um Nachhaltigkeit in der Branche zu etablieren“.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe vom Mai 2021.