Marodierende Fans, Lärm, belegte Parkplätze, neue Staus: Die Befürchtungen privater und gewerblicher Anwohner waren vor dem Stadionumzug groß. Haben sich ihre Bedenken bestätigt?
VON KATHRIN ERMERT
Das Stadion ist umgezogen und mit ihm scheinbar die Anwohnerprobleme. Zwar hat die Stadt im Westen genauso wie zuvor im Osten zusammen mit den Anwohnern ein Konzept erarbeitet, das den Stadtteil etwa mit Zufahrtsbeschränkungen schützen soll. Und Sandra Beck, die Abteilungsleiterin Verkehrsmanagement der Stadt Freiburg, findet auch, dass es funktioniert. Der Gemeindevollzugsdienst kontrolliere das an Spieltagen. Doch Ernst Lavori teilt diese Einschätzung nicht. „Staus gibt‘s fast immer, denn schon kleine Störungen haben große Auswirkungen“, sagt der Zweite Vorsitzende des Bürgervereins Mooswald. Zudem kollidierten die Einschränkungen beispielsweise mit Familienfeiern der Anwohner.
Heckenpinkler und Falschparker
Lavori berichtet von Falschparkern und Heckenpinklern. Probleme machten vor allem alkoholisierte Fans. Sämtliche Beschwerden leitet der Bürgerverein an die Stadtverwaltung und den SC weiter. Zwar bemühe sich der Sportclub, Lösungen zu finden, gravierende Verbesserungen seien jedoch nicht erkennbar. „Nach wie vor erreichen uns an Spieltagen die Beschwerden verärgerter Anwohner“, sagt Lavori. Nach fast zwei Jahren habe Anfang Juli erst die zweite Sitzung des Anliegerbeirats stattgefunden. Und entgegen der in den Vergleichsverhandlungen getroffenen Absprachen, kontrolliere die Stadt noch immer nicht die Absperrungen auf der südlichen Seite der Elsässer Straße.
Deutlich zufriedener sind die gewerblichen neuen Nachbarn des Sportclubs. „Rundum positiv“ lautet das Fazit des Vorsitzenden der Interessensgemeinschaft Industriegebiet Nord, Christian Schulz. Die befürchteten Staus und damit Geschäftseinbußen für Händler seien nicht so schlimm gekommen wie befürchtet. Nur den „Parkplatzmissbrauch“ gebe es tatsächlich, vor allem bei den drei großen Möbelhäusern entlang der Hermann-Mitsch-Straße. Aber diesbezüglich seien Ikea, Möbel Braun und XXXLutz direkt im Gespräch mit SC-Verantwortlichen.
Die IG Nord, die rund hundert Unternehmen aus Freiburgs großem Industriegebiet vereint, hat schon früh in der Planungsphase des Stadionneubaus den Dialog mit dem Sportclub gesucht. „Wir haben im Vorfeld sehr viel dafür getan hat, dass alles gut läuft“, sagt Schulz. Es hilft dem guten Verhältnis sicherlich, dass viele Unternehmer, wie Schulz selbst, zugleich Fans und Stadionbesucher sind. Entsprechend gern haben sich die IG Nord-Vertreter vergangenen Oktober die neue Spielstätte exklusiv zeigen lassen.
Zwischen Ruhe und Party
Jürgen Kern hatte sich mehr Besucher in seiner Rettich-Bar erhofft. Doch die kleine Gaststätte in der Kleingartenanlage an der Hermann-Mitsch-Straße liegt abseits der Wege zum Stadion. Man muss einen Schlenker machen, um dorthin zu kommen. Nur eine Fangruppe tut das bislang, allerdings nicht regelmäßig. Das erschwert die Planung. Einmal kamen 70 Ultras nach dem Spiel. „Die sind bei uns sehr geduldig“, sagt Kern. Sie stellten sich brav an und warteten, bis auch der letzte nach zwei Stunden sein Essen hatte. Jürgen Kern und seine Frau Angelika betreiben die Rettich Bar zu zweit. Es gibt dort weder Fernsehen noch Musik. Einfach nur Ruhe.
Das lässt sich von der Nordkurve weiter oben in der Hermann-Mitsch-Straße kaum behaupten. Sie setzt auf die Mischung aus Partymusik und reichhaltigem Alkoholangebot, die sich schon in der Schwarzwaldstraße bewährt hat. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Dreisamstadion hatte Mike Bächle mit seinem Vater Hartwig 2012 die Vereinsgaststätte Post Jahn Schwarzwaldblick übernommen und zum beliebten Fantreff ausgebaut. Bis in die frühen Morgenstunden feierten dort manchmal tausende Fußballfans mit DJ, Cocktailstand, Weinbar und Bierwagen. Und zwar sowohl Anhänger des SC Freiburg als auch der Gäste, betont Mike Bächle. Der Fantreff sei bundesweit einmalig, meint er: „Der hatte Kultstatus und war in ganz Deutschland bekannt.“
Deshalb sprach 2019 der SV Solvay die Bächles an, weil er einen neuen Betreiber für seine Vereinsgaststätte suchte. So kam der Fantreff unter dem Namen Nordkurve in den Westen und mit ihm die Fans. Von Spiel zu Spiel wurden es mehr. Zuletzt sei es schon wie im Schwarzwaldblick gewesen, schwärmt Bächle. Den Standort in der Schwarzwaldstraße hat er behalten, der laufe auch ohne den SC gut. Muss er aber gar nicht, denn seit dem Aufstieg der zweiten Herrenmannschaft in die dritte Liga kommen Traditionsvereine wie 1860 München oder Dynamo Dresden ins Dreisamstadion – und in den Fantreff.
Geschäftsmodell Parken
Die Kombination aus Sport und Gastro funktioniert gut – Mike Bächle betreibt mittlerweile eine Firmengruppe gemeinsam mit Bruder und Eltern. Zur MB Eventgastronomie zählen neben den zwei Fantreffs fünf weitere Betriebe, darunter der Sportpark Umkirch samt Kartbahn. Den geschäftlichen Instinkt der Bächles zeigt eine Vereinbarung, die sie jüngst mit Möbel Braun getroffen haben: MB übernimmt die Bewirtschaftung des Parkplatzes, sorgt für Ordnung an Spieltagen und darf dafür während der Öffnungszeiten 50 der 400 Parkplätze gegen Gebühr an Fans vergeben. Und zum Beispiel an Abendspielen alle nutzen.
Parkplätze gehören auch zu Albrecht Ganters Geschäftsmodell. Seine Mooswald Bierstube in der Elsässerstraße bietet Stellplätze, die Fans reservieren und dann zum Stadion rüberlaufen können. „Das sind nur 800 Meter“, sagt Ganter. „Wir sind die nächstgelegene Gaststätte am neuen Stadion.“ Das war auch ein Grund, warum der 57-Jährige sie 2014 übernommen hat als Quereinsteiger aus der Freiburger Brauereifamilie. Der SC kam, und Ganters Kalkül ging auf: „Wir haben sehr viele Gäste, die vom Stadion kommen oder zum Stadion gehen“, berichtet er. An Heimspielsamstagen öffnet die Bierstube deshalb schon mittags. Bei ausreichender Nachfrage würde er das auch an anderen Samstagen tun – im Nebenzimmer laufen die Auswärtsspiele auf großer Leinwand. „Wir haben keine negativen Erfahrungen gemacht, auch nicht mit Ultras“, betont Ganter. Überhaupt gehe es in der Mooswald Bierstube äußerst friedlich zu. „Obwohl es im Stadtteil immer noch Kritiker gibt, bekommen wir wenig negative Resonanz.“