Der Schwarzwald ist bekannt für seine Uhrenmachertradition. Die Armbanduhr spielt dabei eine kleine Rolle, umso größer ist der Anspruch an hochwertige mechanische Chronografen. Über drei Adressen in der Region, die solche Uhren im oberen Preissegment herstellen.
VON DANIEL RUDA
King of Cool.
Lesen Sie die Zeile ruhig nochmal, sprechen Sie die drei Worte in ihrem Kopf langsam nach, geben sie ihrer imaginären Stimme dabei vielleicht noch den Klang eines Hollywood- Filmtrailers: King. Of. Cool. Nicht schlecht, oder?
Einen Text über Uhren aus dem Schwarzwald mal damit zu beginnen statt zum x-ten Mal den Kuckuck zu bemühen: die Chance muss man nutzen. Es soll hier ohnehin nicht um Wand- und Großuhren gehen, die die Region einst zur welt- weit bedeutenden Uhrenregion gemacht haben: Im 19. Jahr- hundert zum Beispiel kam jede dritte Uhr auf der ganzen Welt von hier. Lange her.
Der Erste Weltkrieg brachte die Produktion erstmals zum Erliegen, der Zweite Weltkrieg war für die Branche dann eine erneute Zäsur und als die sogenannte Quarzkrise in den 1970er und 80er Jahren aufkam, brach sie fast ganz ein. Günstige elektronische Uhren aus Fernost nahmen damals den Markt ein und verdrängten die mechanischen Uhren.
Seither sind vor allem hochpreisige Armbanduhren, deren Produktion hier schon immer mehr Nischen- als Massenthema war, ein richtiges Liebhaberding
King of Cool also. So wurde er in den Sechziger und Siebziger Jahren genannt, Schauspieler und Stilikone in einem. Die Glorreichen Sieben, Papillon, Getaway: Von Steve McQueen ist die Rede. Mit dem Schwarzwald hatte der US-Amerikaner wenig bis gar nichts zu tun, aber für die traditionsreiche Uhrenmarke Hanhart aus Gütenbach war und ist es immer noch Gold wert, dass McQueen gerne die „417 ES“ an seinem Handgelenk getragen hat.
Einen Chronografen, sprich eine mechanische Armbanduhr mit Zeitstoppfunktion (benutzt dieses Feature heute überhaupt noch jemand?), die Hanhart vor über 60 Jahren eigentlich für Piloten der Bundeswehr produziert hatte. McQueen war berühmt und die Uhr an seinem Handgelenk wurde es dadurch auch ein bisschen.
Felix Wallner ist kaufmännischer Geschäftsführer von Han- hart, im Videocall erzählt er, wie die 20-Mitarbeiter-Firma die „ES 417“ im vergangenen Jahr neu aufgelegt hat. Klassisches Design kombiniert mit den modernen Fertigungstechniken von heute, hergestellt in präziser Handarbeit. „Das hat richtig eingeschlagen in der Sammlerwelt“, die Auflage war sofort ausverkauft, die Uhr wurde in allen Szenemedien thematisiert, auch in einer Geschichte der Londoner Financial Times über die weltweite Uhrenbranche kam sie vor. „Great watches don’t have to come at high prices“, wird ein Experte darin in Bezug auf Hanhart zitiert. Die „417 ES“ kostet rund 1800 Euro.
„Eine Armbanduhr mit einem Preis über tausend Euro, die kaufen Sie nicht zum Anzeigen der Uhrzeit“
Felix Wallner, kaufmännischer Geschäftsführer von Hanhart
Den Namen McQueen nimmt der 34-jährige Wallner selbst nicht in den Mund, die Lizenzrechte am Namen des Uhrenliebhabers hat eine andere Marke – ein Global Player. Den Erfolg durch die Verbindung nimmt man im beschaulichen Gütenbach natürlich gut gelaunt mit. „2020 war das beste Jahr, was wir seit langem hatten, und auch die nächste Auflage ist schon ausverkauft.“ Genaue Zahlen nennt Wallner nicht, nur soviel: Der Jahresumsatz des Hauses liegt im einstelligen Millionenbereich und pro Jahr werden insgesamt rund 1000 Uhren aus den unterschiedlichen Kollektionen verkauft. Es geht um kleine Margen.
Hanhart ist eine der wenigen Adressen in der Region, die hoch- wertige mechanische Armbanduhren produzieren. Der Preis für die teuerste aus dem Sortiment der 1882 gegründeten Firma (die auch für ihr Stoppuhrensegment bekannt ist) liegt bei etwas mehr als 3000 Euro. Kleingeld im Vergleich zu Schweizer Luxusmarken wie Rolex oder Patek Philippe, die den Markt dominieren, auf dem Produkte irgendwo zwischen den Kategorien Statussymbole und Wertanlagen angesiedelt sind.
Die Preise der Marktführer gehen locker bis auf sechsstellige Summen. Ein King Of Cool der Jetztzeit wie der kanadische Rapper Drake trägt zum Luxusimage bei, wenn er mit einer Patek Philippe im Wert von 600.000 Dollar am Handgelenk Basketballspiele vom Spielfeldrand anschaut.
Luxusuhren aus Schramberg
Auch im irdischen Schwarzwald geht es mitunter exklusiv zu: In Hardt sitzt die Manufaktur Lehmann, seit zehn Jahren ist sie als drittes Standbein in die Firma von Gründer und Namensgeber Markus Lehmann eingebettet. Im 100-Mitarbeiter-Haus wird vor allem gedreht, gefräst, geschliffen, dazu werden Ultrapräzisionsmaschinen für große Kunden in der Uhrenindustrie gebaut – und eben selbst hochwertige Uhren hergestellt. „Wir sind als Fima breit aufgestellt, so dass ich die Möglichkeit hatte, mir mit der Entwicklung und Herstellung von Uhren einen Kindheitstraum zu erfüllen“, sagt der Chef. Ihn fasziniert die „außerordentlich komplexe Technik auf kleinstem Raum“.
Bei einem Basic-Modell für um die 5000 Euro geht die Kollektion los, bei Rotgold-Uhren sind es 20.000 Euro und bei Edel- metall-Uhren mit besonders komplexer sogenannter Tourbillon-Mechanik fallen gar rund 100.000 Euro an. Man müsse das aber in Kontext setzen, sagt Susanne Kleinig. Insgesamt fünf solcher absoluten Luxusuhren habe man bislang verkauft, erzählt die 55-Jährige, die das Lehmann’sche Uhrensegment leitet.
Ohnehin läuft noch alles in kleinen Stückzahlen ab, rund 200 Uhren verkauft die Manufaktur pro Jahr. „Wir sind eine junge Marke in einer umkämpften Branche“, sagt die gebürtige Freiburgerin, die vor ihrer Rückkehr in den Süden bei Hublot im Vertrieb arbeitete und sich dementsprechend auf dem Markt für Luxus am Handgelenk auskennt. Man sei noch dabei, sich einen Namen zu machen. „Unheimlich schwer in einem Markt, der von traditionsbeladenen Namen bestimmt wird.“
Um die Qualität aus Schramberg in der Herstellung weiß man aber durchaus in der Uhrenszene. Das aufwändige Gehäuse und kleinste Komponenten stellt die Firma mit seinen eigenen Maschinen her. Mit der Entwicklung einer Uhr für die Kameramarke Leica hat die Manufaktur auch noch auf sich aufmerksam gemacht. Es gehe darum, die Messlatte für die Qualität in der Verarbeitung hoch zu legen. Die Kunden hätten hohe Ansprüche, man versuche, auf alle Wünsche einzugehen, so Kleinig.
„Eine Armbanduhr mit einem Preis über tausend Euro, die kaufen Sie nicht zum Anzeigen der Uhrzeit“, sagt auch Felix Wallner von Hanhart. „Man zahlt für das, was die Uhr verkörpert und für das, was an Mechanik in der Uhr drinnen steckt.“ Er spricht vom Liebhaberstück für Technikbegeisterte und Kenner, die die Handarbeit von kleinen und mittelgroßen Uhrenherstellern schätzen. „Eine Uhr entwickelt immer auch eine Geschichte“, und die gelte es zu transportieren.
Kleinen Manufakturen fehlt der Kundenkontakt
Möglichst, indem man mit den Kunden ins direkte Gespräch kommt, für eine Armbanduhr braucht es auch eine Ebene der Identifikation. Die fehlt gerade allen, die Corona-Pandemie verhindert Messen, Events und das haptische Erlebnis einer Uhrenpräsentation. Kunden in diesem Segment gewinnt man nicht einfach mit einem Online-Shop. Es braucht einerseits Juweliere mit einer Kundschaft, die hochpreisige Uhren bezahlen können und andererseits eben die Möglichkeit des direkten Zugangs. „Ein großer Teil unseres Marketings besteht darin, jede Chance zu nutzen, uns persönlich vorzustellen“, sagt Susanne Kleinig.
So geht es auch Jürgen Betz, der in einem umgebauten alten Scheunenkomplex im Markgräflerland in Efringen-Kirchen sitzt, von wo aus er seit rund 15 Jahren die Uhrenmarke Borgward betreibt. „Sie spiegeln den Flair aus den Fünfziger und Sechziger Jahren wider“, sagt der 50-Jährige über die Uhren, deren Markenname auf eine ehemalige norddeutsche Automarke zurückgeht. Beim Skype-Gespräch hält er Uhrwerke in die Kamera, um den sogenannten Genfer Streifenschliff zu erklären, oder anhand anderer kleiner Details zu zeigen, wie er die Ziffernblätter mit viel Aufwand und alten Druckmaschinen selbst fertigt.
Rund 300 aus seinen 15 Kollektionen verkauft Betz pro Jahr mit seinem vierköpfigen Team. Die Preise liegen zwischen 1300 und 6800 Euro. Produziert wird erst, wenn bestellt wird. Bis zu einer Woche Arbeit steckt dann in einer Uhr. Betz, der vor dem Schritt in die Selbständigkeit als Produktionsleiter in Deutschlands ältester Zifferblattfabrik arbeitete – der Firma Schätzle in Weil am Rhein – und nebenher Uhren fertigte, findet seine Kunden (normalerweise) vor allem auf Messen, auf denen man ihn auf den ersten Blick nicht unbedingt vermutet. Auf Oldtimer-, Zigarren- oder auch Whiskeymessen sticht er als einziger Uhrenanbieter immer wieder heraus. Auch seine Uhrenseminare, bei denen er Kunden ein Wochenende lang Einblicke in das Handwerk gibt und sie ihre eigenen Armbanduhren fertigen lässt, kann er wegen der Pandemie aktuell nicht anbieten. Es kommen wieder bessere Zeiten, hofft er. „Eine mechanische Armbanduhr ist ein Produkt, das mit Leidenschaft produziert wird und beim Kunden Leidenschaft erzeugt“, sagt Betz. Es ist ein Satz, den auch Wallner und Kleinig unterschreiben würden. Der 1980 verstorbene King Of Cool hätte das sicher auch getan.
Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Printmagazin in der Ausgabe März 2021. Hier geht’s zum Abo!